211 Class-A2

Treiber-Testing

Wie gesagt, kommt es auf die Vorstufe- / Treiberkombi an. Entsprechend sollte alles eingehend getestet werden. Das ist nicht mal eben so gemacht.

Man ist auf einem guten Weg, wenn es an der Kathode der EL34 – je nach Ansteuerung – deutlich „schwingt“, sich also Spannungsänderungen zeigen. Bleibt die Spannung an der Kathode stur bei -40V (als Beispiel) stehen, dann bringt die Vorstufe zu wenig (oder der Treiber ist falsch dimensioniert). Bei alledem gilt: Sinus bleibt Sinus, Rechteck bleibt Rechteck.

Erst wenn das alles hundertpro steht, geht’s mit der 211 weiter. Ohne „Oskar“, Signalgenerator, ein paar Spannungsmesser und (viel) Zeit geht’s nicht.

Die Linien am Oszilloskop müssen auch bei offenem Eingang still stehen. „Schwimmen“ die Linien, oder sind unscharf (diffus), dann ist da irgendwo ein Bock. Der muss weg. Haben die Vorstufenröhren (alle) einen Gridstopper? Der wird nämlich oft vergessen…

Class-A2 Abgleich

Es geht zunächst nicht ohne elementare Grundlagen der Röhrentechnik, so zB. wie man was an Röhren misst! Wo wir beim messen sind… Ein unbekannter Übertrager sollte zumindest grob ausgemessen sein, um in etwa auf die Primärimpedanz schliessen zu können. „Könnte“ ja mal wichtig werden…

Wenn ich mich nun nicht ganz verhauen habe, dann kommen mit Übertrager mit einem Ra von etwa 7kΩ daher.

Besonders hilfreich ist eine Kurvenschar, anhand dessen man die nötige Vorspannung und damit die einzustellende Anodenverlustleistung ermitteln kann.

211-kurve1

Umdenken

Besonders die Ultras der Trioden-Fans müssen jetzt tapfer sein und zur Kenntnis nehmen dass, so schwer es nun auch fällt, in diesem Fall Ruhestrom und Anodenstrom zwei Paar – zunächst ähnlich aussehende – Schuhe sind.

Um an den Anodenstrom heranzukommen, hilft der bekannte Altherren-Trick: In die Anoden-Zuleitung lötet man einen 1Ω-Widerstand. Ein Ein-Watter reicht eigentlich. Die darüber abfallende Spannung lässt sich so, ohne Taschenrechner, Eins-zu-Eins in Milliampere „übersetzen“. Den Widerstand kann man übrigens drin lassen. Für spätere Messungen oder als „Opferlamm“, falls sich eine Triode daneben benehmen will…

Als Kathodenwiderstand wird hier ebenfalls ein 1Ω-Widerstand eingesetzt. Dieses eine Mal aber, wirklich nur Ausnahmsweise, ein Fünf-Watter der etwas „verpacken“ kann.

Ein zweites Messgerät ist nötig, um die Anodenspannung im Blick zu halten. Anodenspannung, nicht Betriebsspannung.

Mit dem Regler wird nun – beginnend mit der höchsten negativen Spannung – so lange mit Gefühl „hin- und hergedreht“ und -gerechnet (Was meinen Sie, warum da zwei Messgeräte im Spiel sind?), bis eine Anodenverlustleistung (das Standgas) von etwa – Achtung! – gemittelt 70W „entsteht“.

Faustformel: Je höher die Anodenspannung, desto „geringer“ die einzustellende Anodenverlustleistung. Es kommt dabei auf jedes halbe Watt an.

Eine sehr heisse Einstellung für eine 75W-Triode. Und heiss wird’s in der Tat. Bereits nach kurzer Zeit verbrennt man sich am Glas der 211 die Finger. Logisch, oder?

Selbstbau

Wer sich einen 211 Class-A2 Röhrenverstärker von der Pieke auf selber aufbauen will, sollte sich zuerst vom Class-A(1) Korsett befreien. Selbstkritisch hinterfragt man auch seine allgemeinen Kenntnisse der Röhrentechnik.

Zu Sicherheit und Bauteilqualität ist bereits alles gesagt.

Einzuplanen sind drei (bzw. vier) Netzteilzüge! Für Vorstufe(n), kanalgetrennt (!) für den (die) Treiber und ein eigenes Netzteil nur für die Endröhre(n). Billige Tricks, um ein paar Euro einzusparen, rächen sich schnell. Es dürfte nun klar sein, dass das – allein wegen des Netzteils – kein preiswertes Vergnügen wird.

Die beiden Widerstände, die an den Heizungsanschlüssen der 211 hängen und eine künstliche Kathode herstellen, sollten 50Ω nicht überschreiten. Das nur nebenbei.

Lesestoff

Bei Recherche wird man irgendwann auf Tubelab stossen. Hinter Tubelab steht George Anderson, ein Gitarre spielender Yeti. Er hat es aber eher mit dem Treiber, die eine reine Halbleitergeschichte ist, aber scheinbar so gut funktioniert, dass sie sehr oft eingesetzt wird.

J&K Audio Design ist zwar eine chinesische Verkaufsbude, haben aber ebenfalls etwas nettes zu Class-A2 namens „Deathbringer“ in petto.

Vor allem haben die eine Kurvenschar veröffentlicht, die man nutzen sollte, darf. In der Timeline muss man sich in das Jahr 2016 zurückbeamen. Nur nebenbei: Realistischerweise reden die von 30W und phantasieren nicht von 40W Ausgangsleistung. Hier ein PDF. Zu beachten ist die angegebene Anodenspannung und das Ra des Übertragers (da ist beim 16k-Übertrager versehentlich 10k angegeben).

Das Gewese um Double C-Core Übertrager kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Nunja, jeder so, wie er mag…

Und dann dünnt es sich sehr schnell aus. Das (seriöse) Thema 211 in Class-A2 ist nicht sonderlich ergiebig. Vor allem finden sich kaum funktionierende und gute (!) Schaltungen (mit Messwerten), an denen man sich orientieren kann. Genauso will ich die hier gezeigten Schaltungen verstanden wissen. Nur als Orientierungshilfe.

Gegenkopplung ist Glaubensfrage. Ich persönlich würde so etwas wenigstens mit „etwas“ Gegenkopplung fahren. Die Schwingneigung ist nicht von der Hand zu weisen.

Wem das hier nun nicht technisch genug ist, dann bitte im Morgan Jones (hat nichts mit „Walking Dead“ zu tun) herumblättern.

Nicht zuletzt: Viele Wege führen nach Rom. Es gibt mehrere Lösungsansätze, um mit der 211 Class-A2 zu realisieren. Die eine ultimative Schaltung gibt es nicht.

Klang

Aufgrund des eigenwillig-improvisierten Aufbaus, konnte Class-A2 leider nicht intensiv getestet werden. Kurze Hörproben liessen aber ahnen, was einem da erwartet…

Den „typischen“ Röhrenklang können sie bei Class-A2 lange suchen. Wer’s ehrlich, knochentrocken und auch etwas lauter mag, für den ist so etwas genau richtig.

Nachteile: Der „Klang“ und die zur Verfügung stehende Leistungsreserve haben enormes Suchtpotential. Einmal A2, immer A2 – auch wenn die Öko-Bilanz hundsmiserabel ist und eigentlich verboten gehört. Bei Aussentemperaturen um die 30°C überlegt man es sich zweimal, solche Triebwerke überhaupt anzuwerfen. Noch dazu ohne Klima – was angesichts der Öko-Bilanz… Egal.

Und wat is nu‘ mit P88?

Zu richtiges Class-A1 umgebaut. Blaue LED durch eine Rote ersetzt. Netzschalter mit Enstörkondensatoren versehen (!) und mechanisch wieder gängig gemacht (!) – vor allem isoliert.

Ausgangsleistung etwa 18W. Echte. CD-Player reicht eigentlich zur Ansteuerung, da war schon richtig Rambazamba in der Hütte.

Und was sagt meine staatlich geprüfte Hörtesterin?
„Erotisierend“.

Hat sie wirklich gesagt.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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