HiFi mit „P-Röhren“ (Prelude)

„P-Röhren», also „Fernseher-Röhren» sind Teufelzeugs. Damit ist kein HiFi machbar. Richtig „grottig» wird’s, wenn Röhren verwenden werden sollen, die so unbekannt sind, dass selbst Kenner der Materie deren Existenz nur mit Staunen zur Kenntnis nimmt. Genau das sind aber Röhren, auf die man mal ein genaues Auge werfen sollte. Und natürlich auf die „Fernseher-Röhren».

Da gibt es nämlich durchaus einige verkannte Schätze. NOS, natürlich. Der Preis? Reden wir nicht darüber. Wenn Sie nicht aufpassen, bekommen Sie die Dinger vom Händler an den Kopf geschmissen, wenn Sie nicht rechtzeitig in Deckung gehen.

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Also „P-Röhren»

die es, an sich, eigentlich – begrifflich gesehen – gar nicht gibt. Genauso wenig wie „Rundfunk-» oder „Radioröhren», „Fernseher-Röhren» oder auch „HZA»-Röhren. Letztere ist wiederum eine ganz typische „Fernseher-Röhre» die in der HoriZontalAblenkstufestufe zu finden war (wegen des Wortungetüms kürze ich auf HZA ab, genauso wie andere den AusgangsÜbertrager zu „AÜ» kürzen).

Also Fernseher-Röhren. Genauer: die „HZA»-Röhren.

In den 1960’er Jahren oftmals dafür verantwortlich, dass während der samstäglichen Sportschau der technische (und familiäre) Notstand ausgerufen wurde und der Radio- und Fernsehtechniker anrücken musste (am Samstag wohlgemerkt!). Und gar nicht mal so selten, hat diese Röhre auch noch ein oder zwei Widerstände „mitgenommen», was die Reparaturarbeiten bis zum Ende der Sportschau hinauszögerte. Ausser Kontrolle geriet die Situation jedoch, wenn die „HZA-Röhre» auch noch den Zeilentransformator ins Jenseits bugsierte…

Versierte, meist altgediente Röhrenbastler (die „Insider», also die das Röhren-Getter mit der Muttermilch aufgesogen haben), sind in dem „P-Röhren Bereich» ja schon länger unterwegs (und denen erzähle mit dieser Einleitung nichts Neues). Weil die nämlich nicht bereit sind, den Preis-Wahnsinn von ECC-Röhrentypen („E-Röhren» allgemein) mitzumachen.

Der Preis ist heiss bei Sechs-Drei

Selbst Schuld an der Preis-Misere sind einserseits die Musiker bzw. „Klangkonsumenten», denen man immer schon irgendwelche Röhren aufschwatzen konnte und diesen Röhren dann irgendwelche Klangeigenschaften andichtete. Je weniger nachvollziehbar, desto teuerer.

Heute hat fast jede Röhre – out of the Box – immer eine ganz bestimmte Klangeigenschaft. Ernsthaft jetzt? Ich konnte die beschriebenen Eigenschaften so nie nachvollziehen, teilweise war es auch genau umgekehrt. Aus „weich» bzw. „smooth» wurde „hart» bzw. „harsch». Randall Smith, Firmengründer von Mesa/Boogie, hat da sicher auch so seine ganz eigene – nicht ganz stromlinienförmige – Meinung dazu.

Andererseits stürzten sich esoterisch angehauchten Audioextremisten auf „hochgenaue» Röhrentypen, die sog. Spanngitter-Röhren wie zB. ECC88 und dichteten diesen Röhren dann Extremaudiophile-Eigenschaften an.

Keine Frage, Spanngitter-Röhren sind gut. Dabei war die Konstruktion dieser Röhren nur „normal» und dem eigentlichen Verwendungszweck geschuldet. Der UHF- oder VHF-Bereich (Fernseher) bzw. „hochfrequenziges» allgemein, verlangt(e) nun einmal nach „hochgenauen» (hohe Steilheit, geringe Eigenkapazität, Mikrofonie- und Rauscharm) Röhren.

Das Ende vom Lied war, dass die Preise durch die Decke schossen. Ohne sich bis ans Lebensende zu verschulden, sind NOS Spanngitter-Röhren heute nahezu unerschwinglich (besonders mit Telefunken-Emblem). Witzigerweise auch die Spanngitter-Neuware (bevorzugt mit Katzengold-Pins), die mit UHF noch nie in Berührung gekommen sind und nur vom Nimbus ihrer Altvorderen profitieren. Ich möchte ja wirklich mal gerne sehen, wie sich derartige Röhren in einer alten UHF- oder VHF-Empfängerschaltung verhalten…

Und womit werden all‘ diese „Wunderröhren» beheizt?

Mit Sechs-Komma-Drei Volt.

Soll es jetzt auch noch NOS sein, werden „Sechs-Dreier Röhren» – aus unerfindlichen Gründen – nahezu unbezahlbar. Deutliche Preisunterschiede gibt es auch bei den „Fernseher-Röhren»: Warum eine EL83 teuerer ist, als die PL83, wissen nur die Götter. Die „Kollegen» von der Funkerfraktion (und natürlich die experementierwütigen Hobbybastler) wissen das schon länger und bauen sich ihre Gerätschaften – wenn es mit Röhre sein soll – mit billigen P- D- oder U-Röhren. Bis dann ein „HiFi-Heini» derartige Röhren für sein Hobby entdeckt.

Wie meinte ein Funkamateur kürzlich:

Sobald eine P-Röhre für HiFi entdeckt wird, wird es für uns Funkamateure teuer.

Da ist durchaus etwas Wahres dran und dann hört die Freundschaft unter uns Lötkolbenartisten auf.

So eine PL519 muss als Sender arbeiten, nicht im Niederfrequenzbereich herumgammeln.

Das für den „Röhrenklang» auch die Röhrenschaltung bzw. die Betriebsbedingung verantwortlich ist, will man einfach nicht wahrhaben. Da kann man sich den Mund fusselig reden.

Bestes Beispiel ist die 300B. Im alten Datenblatt von Western Electric kann man quasi nachlesen, wie die Röhre klingen wird, wenn sie unter bestimmten Betriebsbedingungen „gefahren» wird. Eine Tabelle übrigens, die ihresgleichen sucht.

Wie auch immer: Pauschal kann man heute sagen, dass, je „musikalischer» eine Röhre klingt (sie wird übrigens immer „weich» oder „bluesig» klingen, nie „harsch», „rockig» oder „kreischig»), desto teuerer ist sie. Fehlt bloss noch, dass man Rockstars bemüht, um den Klang zu beschreiben: „Sounds like Axel Rose» oder „Funky Sound like Prince» († 21.04.2016).

Na gut, lassen wir die Kirche im Dorf. Natürlich gibt es Röhren, die einfach ihren Job machen und deren Preis nur im ersten Moment „gewuchert» aussieht. Das sind meistens Röhren, die – normal gefahren – den Besitzer überleben und in die Erbmasse wandern. Ja, ja – ist ja schon gut. Hier gibt es auch Blender oder künstlich „gehypte» Röhren (Einkauf 5 Euro, Verkauf 60 Euro). So etwas meine ich ja gar nicht. Ich dachte da eher an alte JAN-, Bundeswehr- oder „Behörden»-Röhren.

Oder die alten 6N1P-Röhren aus Gorbatoschow-Zeiten. Falls so eine Röhre damals mal im Westen auftauchte, diente sie meist als Zielobjekt auf dem Kleinkaliber-Schießstand. Wohl dem, der wusste, was er da hatte. Die ersten „China-Verstärker» waren übrigens mit genau diesen Röhren ausgestattet, bis man sich entschloss die Dinger „irgendwie» nachzubauen.

Mit dem Ergebnis übrigens, dass ich diese Gläser heute (genau wie die 12AX7-B-Dinger) sofort ersetze. Oder die Röhren in Ganzkörper-Metallkondom, die lange Zeit diskreminiert und regelrecht gemobbt wurden… Ein Wort zu russischer Technik: Die ist selten schön. Aber höchst funktionell und damit effizient.

Äh… Ich wollte ja über P-Röhren (bzw. „Fernseher-Röhren») schreiben.
Sich mit dem Thema zu beschäftigen, lohnt sich wirklich. Vor allem, weil die fernöstlichen Jäger und Sammler diese (Un-) Röhren noch nicht auf dem Radar haben. Die hetzen immer noch dem alten Ami-Kram hinterher. Die Amis hingegen haben auch schon realisiert, was Europa da an (billigen) Röhren hat…

Das schafft noch Freiraum für hiesige Bastler, wenn… Ja, wenn man bereit ist, ausgetretene Pfade zu verlassen und HiFi „andersherum» realisieren will. Auch wenn die Funkamateure mir jetzt die Freundschaft aufkündigen: Das geht.

In anderen „Röhrenbereichen» ist das mittlerweile Usus. Eine gute 6SN7GT-Röhre ist teuer (geworden). Wenn man nicht 6,3V fixiert ist und als Heizspannung auch 12,6V zur Verfügung steht, dann wird eine derartige Doppeltriode plötzlich wieder sehr interessant. Sie heisst dann natürlich nicht mehr 6SN…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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