Phono mit Fernseher-Röhren (P-Röhren)

Phono-Röhrenverstärker sind beliebt in der Verstärker-Selbstbau Szene. Da kann man „sich selbst verwirklichen» – mit teilweise ganz interessanten Ergebnissen. Diese Selbstbau-Projekt ist da nicht viel anders. Diesmal mit waschechten Fernseher-Röhren und das auch noch aus der P-Reihe. Fernseher-Röhren (P-Röhren) sind fast ideale Kandidaten zur Behandlung von empfindlichen Signalen. Ideal deshalb, weil sie preiswert sind.

Da gibt es Röhrensysteme, die aus dem Stand das machen, für die die ECC-Trioden-Freaks doch etwas herumtricksen müssen. Man muss nur „um die Ecke» denken. Heisst: An Pentoden. Fernseher-Röhren und Pentoden heisst auch: „Brutales» NOS. Und zwar auch die E-Versionen, wem das lieber ist. Die P-Preisfrage lässt die Geschichte jedoch sehr sympathisch werden. Das gesparte Geld lässt sich dann zB. für „Eye-Catcher» verwenden, damit es noch irgendwie als Röhrenverstärker durchgeht.

Moment. Gemach, gemach. Sooo schnell geht es auch wieder nicht…

Vorab: Auch wenn Fernseher-Röhren (egal ob P- oder E-Typen) verwendet werden – das wird kein billiger Spass. Das Gehäuse und der Netztrafo greifen ungeniert in den Geldbeutel. Wenn man das kompensieren will, muss man auf „Eye-Catcher» (Röhrengleichrichter) verzichten. Aus rationalen und auch aus technischen Gründen lässt sich ein Phono-Vorverstärker schneller, besser und wesentlich kostengünstiger mit Halbleiter realisieren. Nur der Spassfaktor hält sich dann in engen Grenzen.

Also, wenn’s was werden soll, dann sind ein paar Vorüberlegungen ratsam. Und natürlich „ein kleines bisschen» Recherche, für die man „etwas» Zeit mitbringen sollte. Was es mit den P-Röhren (Fernseher-Röhren) auf sich hat und wie man „richtig» beheizt, ist in dieser Einleitung erklärt. Die Beschreibung zu meinem Phono-Pre könnte man nun kurz halten und sich auf die Schaltung beschränken. Das führt zwangsläufig zu der Annahme, dass so etwas „mal eben» entsteht. Ich will mit diesem Artikel aber auch einmal zeigen, dass man das „Drumherum» nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. So wird zB. ganz schnell klar, dass einige Bastler aus so einem Vorhaben eine Wissenschaft machen. In den Diskussionsforen wird über die Röhrentype und wie man entzerrt wochenlang diskutiert und simuliert, bis der Diskussionsfaden ohne Ergebnis abrupt abreisst…

Fangen wir mal im November 2015 an. Fernseher-Röhren oder die hässlichen grauen oder roten sowie Metallkondom-Pentoden haben es mir ja schon länger angetan. Preiswert und gut eben. Völlig unterschätzt… Also, „damals» kam mir die Idee zu diesem Röhrenverstärker-Selbstbauprojekt.

Da man dem eigenen Geld ja nicht böse sein sollte, ist eine Recherche schon allein deshalb sinnvoll, weil es vielleicht jemanden gibt, der die gleiche Idee und seine Erfahrungen damit gemacht hatte. Manchmal kommen auch Schaltbilder ans Tageslicht, die äusserst pfiffig sind (und ich garantiert einmal testen werde)… Doch zuerst zu meinem „persönlichen Pflichtenheft» für „meinen» Phono-Vorverstärker. Das ist, nun sagen wir es mal so, etwas eigenwillig:

Mein persönlicher Phono-Preamp…

…soll folgende Eigenschaften haben:
Er soll autark sein, also extern.
Die Röhren müssen alle NOS sein. Das geht nur preislich übersichtlich mit P-Röhren bzw. Fernseher-Röhren allgemein. Der Preis pro eingesetzte Röhre sollte fünf Euro nicht überschreiten.
„Mein» Phono-Pre soll über eine passive Entzerrung verfügen. Und er soll hoch verstärken.
Die ganze Choose soll auch noch so niederohmig (geringe Impedanzen) sein, wie es mit Röhren nur eben geht.
Letztendlich soll der Bastleretat nicht gesprengt werden. Letzteres schliesst eine Materialschlacht (Röhrengrab) aus. Also deckeln wir die Obergrenze bei maximal fünfhundert Euro. Das hört sich nach viel an, aber wenn man schon allein für Chassis zweihundert und für den Trafo einhundert Emmchen einkalkuliert, dann relativiert sich die Sache.

Meine Ansprüche an den Ausgangspegel hat den folgenden Grund: Viele externe Phono-Pre’s mit der ECC83- / 12AX7-Standardschaltungen (ersatzweise 6N2 oder ECC88) aus den 1950’er bis 1960’er Jahren (zB. die RCA-Schaltung oder in Abwandlung die alte Marant 7C-Schaltung) funktionieren, ja. Nur halte ich sie wirklich für – hrm – altbacken und klingen meist auch so (Trioden „spielen» auch nur zu gerne mit dem Miller-Effekt, wenn sie hoch verstärken müssen). Sowohl von der Technik her (generell zu hochohmig), als auch von der „Leistung» (Millivolt am Ausgang). Von der damals üblichen Abweichung des Entzerrers von bestenfalls ±1dB (es gibt auch Röhrenverstärker die mit ±2,5dB und mehr glänzen) ganz abgesehen. Was nutzt mir da ein sauteures Tonabnehmersystem…?

Hohe Verstärkung? Da fällt einem ad hoc doch sofort die SRPP-Schaltung ein. Geht, ja. Mit E-Röhren. Habe ich schon hinter mir. Mit P-Röhren allerdings gibt es ein winziges Detail, was die SRPP ausschliesst. E-Röhren will ich nicht und irgendwo einen OP-Amp einzusetzen, der sich eine hohe Verstärkung locker aus den Silizium-Schaltkreisen schüttelt, will ich auch nicht. Ich weiss, dass man das sehr häufig macht. Häufiger als man denkt…

Die bessere Definition, was ich unter „hoher Verstärkung» verstehe: ab 45dB aufwärts oder, anders ausgedrückt, eine über 170-fache Verstärkung. Alles bezogen auf 1kHz-Sinus. Vergessen Sie RMS (das hat hier überhaupt nichts zu suchen). Auch wenn man in diesem Bereich nur ungern von Millivolt redet: Wenn der Tonabnehmer 5mV (1kHz) liefert (Wenn!), dann sollte am Ausgang „meines» Phono-Pre mindestens 850mV (1kHz) anliegen. Bei 2mV sind es bei 170-facher Verstärkung eben „nur» 340 Millivolt. Mein anfängliches Ziel waren 2V (Ja, wirklich. Hochpegel a la CD-Player). Ohne Materialschlacht, sprich Röhrengrab oder SRPP, geht das nicht. Da ich beides nicht wollte, verabschiede ich mich von Hochpegel im eigentlichen Sinne.
Kompromiss Nummer Eins.

Kurz zu den Tonabnehmern: Dieses Thema ist eine Wissenschaft für sich und zudem äusserst subjektiv. Wie auch bei Telefunken-Röhren kann man hierfür viel Geld ausgeben. Ich beziehe mich im folgenden auf den 5mV-Wert, weil „mein» Shure-Rillenkratzer das liefern kann. Blöd ist nur, dass in der Rille nicht nur ein 1kHz-Sinuston eingeritzt wurde… Aber, einen Vergleichswert braucht man. Und das ist eben das „1kHz-Sinussignal». Zum Glück taucht hier das RMS-Geramsche noch nicht auf. Das kommt aber auch noch. Wetten?

Ich bin garantiert nicht der Einzige, der solche Anforderungen an seinen Phono-Verstärker stellt. Dann gehen wir mal Gleichgesinnte suchen. Ich stosse recht schnell auf diese SRPP-Schaltung bei der alles richtig gemacht wurde. Selbst so Kleinigkeiten wie „Heizung hochlegen» oder die Verwendung von Abschirmbecher. Das ist aber eine SRPP, mit ECC83 (12AX7) und ECC81 (12AT7, als Buffer. Die Ausgangs-Phasenlage ist nicht „gedreht» – ein Umstand, der häufig genug nicht beachtet wird). Gute ECC83 und ECC81 (Mikrofonie- und Rauscharm) sollten hier allerdings Pflicht sein und dann wird es ein sehr teurer Spass.
Not my Cup of tea.

mmpre02

Der Original-Schaltplan. Verstärkung: Zwischen 60 und 70dB, was bei 60dB etwa eine 1000-fache Spannungsverstärkung bedeutet. Die letzte Röhrenstufe (Buffer, Impedanzwandler) ist übrigens nicht so unsinnig, wie es den Anschein hat. Die SRPP „liebt» einen fest definierten, niederohmigen, Abschluss. Zudem drückt der Buffer nochmals die Ausgangsimpedanz auf unter 200 Ohm. Das ist so niederohmig, da kann man diese Phonovorstufe mit Klingeldraht direkt an die Endstufe anschliessen. Tipp: Anstatt ECC83 die ECC84 (die ist für SRPP bzw. Cascode, gemacht worden) nehmen und im Buffer eine ECC82 (wg. der Uf/k-Geschichte). Die Verstärkung ist dann zwar nicht mehr ganz so hoch, reicht aber immer noch aus, um „normale» Endstufen (!) hoffnungslos zu übersteuern.

Tja. Und das war es dann. Man findet eigentlich (auch im Selbstbau-Bereich) nur die üblichen Röhrenvorverstärker in Kathodenbasis-Schaltungen mit ECC83 (12AX7) oder ECC88 (mit oder ohne nachgeschaltetem Impedanzwandler). Entweder mit aktiver Entzerrung (Gegenkopplung) oder passiver Entzerrung. Alles mehr oder minder hübsch verpackt.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.