Push Pull mit EL504 & Co

Mit der EL504 oder ähnlichen Röhren in den HiFi-Bereich zu gehen, ist ein gefährliches Unterfangen. Nur zu leicht wird man geächtet. Dabei ist ein EL504-Gegentaktverstärker nur logische Konsequenz: Wer mit der EL509 den Eintakt-Fetisch frönt (so wie ich), dem juckt es in den Fingern, auch etwas mit der EL504 zu „veranstalten» (so wie ich eben). Aber wie immer bei meinen Projekten: „Mal eben» – ist (mal wieder) nicht. Sorry.

Etwas Vorarbeit war angesagt. Wobei das Recherche bedeutet. Denn die Idee, mit der EL504 einen Verstärker zu bauen, ist ja nun wirklich nicht neu. Gefährlich ist das mit HiFi deshalb, weil damit scheinbar kein HiFi möglich ist. Erstens wegen Fernseher-Röhre und zweitens, weil diese Fernseher-Röhre doch ein paar Eigenschaften aufweist, die man – als Audio-Bastler – nicht haben will. Als krachender Party-Verstärker geht so etwas in Ordnung – aber für HiFi?

Was mir da aber vorschwebte, war schnell klar. Ein Studioverstärker von den Herren Klein & Hummel mit EL504 (bzw. EL36) aus den späten 1950’er bzw. frühen 1960’er Jahren: Die berühmten V30-Monos. Ursprünglich gedacht für die OX-Lautsprecher. Also nix mit HiFi (das gab es so noch gar nicht) oder so, Studiotechnik ist angesagt. Die damalige Studiotechnik hatte übrigens mehr mit HiFi zu tun, als das, was später offiziell als HiFi deklariert wurde.

schaltplan

Und mal ernsthaft: Die Anforderungen der damaligen Studiotechnik ist (war) weitaus besser als das, was heute oftmals unter HiFi-Flagge segelt.

Die Consumer-Variante dieses Verstärkers kam übrigens als Saba-Telewatt als V70 bzw. V71 in die heimischen Wohnzimmer. Das eigentliche Schaltungskonzept um die EL504 variierte übrigens nicht großartig. Auch wenn auf dem Gehäuse Braun (CSV60) oder Sennheiser stand. Das waren alles… nun, formulieren wir es mal so, „K+H Mutationen». Ja, ich weiss, das tut weh… Die Consumer-Variante(n) der V30-Monos war allerdings auch Consumer-freundlich gestaltet – preislich gesehen. Nicht nur am Netztrafo und Übertrager wurde gespart… Zurück zum V30.

Achtung:
Das, was Klein & Hummel da konstruiert hatte, funktionierte so nur mit den OX-Lautsprechern. Die Impedanz dieser Lautsprecher war 16Ω. Die hervorragenden technischen Daten der V70 bzw. V71 bezogen sich ebenfalls auf diese 16Ω-Impedanz. Sobald 8Ω-Lautsprecher ins Spiel kamen, waren die „guten technischen Daten» der Verstärker Makulatur. Ein Grund hierfür war der Übertrager.

Und noch eine Anmerkung: Die Tiefenanhebung war schon fast essentiell wichtig für die OX-Lautsprecher. Diese galten doch als sehr Aufstellungskritisch. Mit der Tiefenanhebung konnte man das etwas „egalisieren». In etwa genau die gleiche Schaltung habe ich übrigens im Leben CS600 wiedergefunden…

Also: Studiotechnik, ja. Sich am Klein & Hummel V30 orientieren, ja. Aber keine 1:1 Kopie. Da gibt es nämlich ein paar böse Fallen. Die Welt soll sich inzwischen ja auch weiter gedreht haben… Trotzdem es sich um „gute, deutsche Wertarbeit» von Klein & Hummel handelt, es ist nicht alles Gold, was da glänzt. Worum es sich bei dem Lautsprecher und dem Verstärker handelt, darüber gibt dieses PDF-Dokument Auskunft.

Gehäuse

Die Behausung der Röhrentechnik musste geklärt werden. Das nämlich sollte preislich sehr übersichtlich gehalten werden. Wenn das Projekt sich als untauglich für modernes HiFi erweist, will ich nicht einem teueren Gehäuse nachtrauern. Zufällig fielen mir verchromte Metallchassis in die Hände, die ursprünglich bekannte EL34-Monoblöcke beherbergten.

neu

Mit den zwei Noval- und vier Oktal-Löchern pro Chassis ist das ideal für eine Stereokiste. Zusätzliche Löcher für je einen Lautsprecher- und Cinchanschluss sowie Befestigungslöcher zu bohren, sollte kein Problem sein. Alle anderen Ausbrüche waren bereits vorhanden.

Mit der richtigen Chemikalie lässt sich der aufgebrachte Siebdruck leicht entfernen und dann durfte ich die Erfahrung machen, dass auch eine dicke „China-Verchromung» allergisch auf ein zu hartes Putztuch reagiert. Mit Chrompolitur, Geduld und Spucke, will das „kaschiert» werden – oder ich lasse mir etwas anderes einfallen. Vor allem deshalb, weil für die Front ja auch akute „Fettfinger-Gefahr» besteht.

Wie auch immer: Gehäusefrage geklärt. Das ging diesmal ja schnell.

Trafos

Wer mit EL504 oder EL36 (!) Verstärkerkonzepte realisieren will, der weiss, dass man zwar mit relativ „niedriger» Spannung arbeitet, dafür aber (logischerweise) mit höheren Strömen. Der Netztrafo muss also im „Hochspannungsbereich» schon ein „paar» Milliampere mehr bereitstellen, als zum Beispiel bei einem „normalen» EL34-Verstärker. Und genau da unterscheiden sich nämlich die beiden Verstärkerkonzepte!

Netztrafo

Auch wenn die Leistung, je Spannungs-Abgriff, mit einem spitzen Bleistift kalkuliert wird, kommt man um einen M102- oder entsprechenden EI-Kern als Netztrafo nicht drumherum.

Also kann man auch etwas „grosszügiger» kalkulieren. Das ist hier kein Fehler. Die Versorgungsspannung muss nämlich stehen wie eine Eins. Und das bedeutet letztendlich auch, dass man „etwas grosszügiger» bei den Siebkapazitäten zu sein hat…

Übertrager

Als Ausgangsübertrager kommen diesmal – aus Platzgründen – nur M85 Kerne in Frage. Aber auch hier setze ich auf spezielles, nicht handelsübliches, Übertragerblech.

Auch wenn „nur» Studiotechnik (Bandbreite) realisiert werden soll, sollte man beim Übertrager nicht geizen. Vor allem muss das Übersetzungsverhältnis auf heutige Gegebenheiten (8Ω bzw. 4Ω Lautsprecherimpedanz) angepasst werden. Ein M85-Kern schränkt aber auch die maximale Leistung ein: Mehr wie 40W pro Kanal wird es nicht. Das war sowieso nicht das Ziel.

Ein Wörtchen zur Studiotechnik: Da war früher „unten» bei 20Hz und „oben» bei 20kHz definitiv Schicht im Schacht. Heute dreht man den Hahn, öfter als man annimmt, „unten» schon etwas früher zu und „oben» kappt man rigoros bei 20kHz.

Im Zuge der Recherche habe ich feststellen müssen, dass bei den „Nachbauten» der Ra/a des Übertragers doch oftmals (viel) zu niedrig liegt. Was der Grund hierfür ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Ich will nicht sagen, dass das falsch ist. Funktioniert sicher… Doch dazu später.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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