SE-845 Röhrenverstärker

Die Schaltung des SE-845

Jetzt wird’s interessant. Geplant war eigentlich, „meine“ bekannte zweistufige Vorstufen- bzw. Treiberschaltung (hier und hier). Bis mich wieder mein Spleen beim Schlawittchen packte, am Lautsprecher die gleiche Phasenlage des Signals zu erhalten, wie sie auch eingespeist wurde. Heisst also, dass nur eine Verstärkerstufe vor der 845 eingesetzt werden soll.

Natürlich sollte das mit einem Pentödchen realisiert werden. Was bei einer 300B möglich ist, sollte doch auch bei einer 845 möglich sein. Dieser Ansatz ist nicht neu. Gibt es bereits mit „Noval-Röhren“ (EL802) oder mit parallel geschalteten Trioden. Hier ist aber Oktal vorgegeben und da scheint die ursprünglich verwendete 6SJ7 nicht unbedingt die beste Wahl zu sein. Mehr Dampf (sprich Verstärkung) verspricht hingegen die 6AC7 (bzw. das russische Pendant 6Ж4). Zu dieser Röhre später etwas mehr.

Danach sollte (je Kanal) eine Triode geflanscht werden, die aber „nur“ als Impedanzwandler arbeitet. Die Phase wird damit ja nicht „gedreht“, verstärkt wird auch nichts, aber die 845 wird „niederohmig“ angesteuert. Hierfür käme eigentlich nur eine 6SN7 mit parallel geschalteten Triodensystemen in Frage. Doch da lasse ich mal hübsch die Finger von. Es wird mir (unverständlicherweise) viel zuviel Bohei um die 6SN7 gemacht…

Ein 6SN7-Derivat gibt es nämlich auch in „einfacher“ Version, also mit nur einem Triodensystem. Wie hiess sie noch gleich…? Sechs… Sechs… Ah, ja! …Jott fünef. Und zwar die in Ganzkörpermetallkondom. Damit liesse sich eine (theoretische) Ausgangsimpedanz von unter 500Ω erzielen. So etwas birgt allerdings auch noch eine kleine Falle, in die ich (natürlich) hineinstolpere…

Spätestens jetzt daran denken, dass bei dieser Schaltungsauslegung die primärseitigen Übertrageranschlüsse vertauscht werden müssen!

Das getrickste Trick-Netzteil

Nächste Planänderung. „Dank“ der Wiedereinarbeitungszeit musste ich mir für das Netzteil der Vor- bzw. Treiberstufe etwas anderes einfallen lassen. Weil nämlich wegen den klaustrophobisch-ähnlichen Zuständen…

Anstatt also – pro Kanal – einen platzraubenden Spannungsverdoppler mit drei Elkos und zwei Dioden, wird (anders als beim vorherigen Modell) die benötigte Spannung aus der Verdopplerschaltung des Killer-Volt angezapft. Bauteileaufwand: ein Serien- bzw. Siebwiderstand und danach nur noch ein Elko. Im Leerlauf stehen da nun 475V, was zunächst einen 500V Siebelko erforderlich macht – auch wenn die „echte“ Betriebsspannung später wohl unter 450V liegen wird.

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Einen Nachteil hat das aber schon: Wie die Vor- bzw. Treiberstufe arbeitet (Arbeitspunkt), hängt nun ganz von der Belastung der 845 ab. Ja, ich weiss, dass das in fast allen Verstärkern auch so gehandhabt wird. Trotzdem behagt mir das nicht. Bin nun mal ein überzeugter Anhänger von „autarken“ Netzteilbereichen.

Diesmal blieb aber nichts anderes übrig, wenn man die ursprüngliche, sehr mutige, Music Angel Konstruktion vermeiden will. Der Siebelko ist – gemessen am Verbrauch der Vor- bzw. Treiberstufe – grosszügig zu dimensionieren, da er auch als „Puffer“ dient. Etwa 100µF sollte es also schon sein. Pro Kanal, versteht sich.

Die 200V-Zuleitungen sind nun überflüssig. Könnte man ja sofort die Kabel abkneifen und den Rest so verstecken, dass sie nicht weiter stören, oder? Irgendetwas hinderte mich aber daran…

Soweit also der (neue) Plan. Jetzt muss er nur noch funktionieren…

Zwischenspiel

6AC7

Für diesen SE-845 soll also die 6AC7 als einzige Treiberstufe eingesetzt werden. Diese Pentode war im zweiten Weltkrieg die amerikanische Antwort auf die europäische EF50, aber ohne deren „Regel-Kennlinie“ (sog. Remote CutOff). Die 6AC7 ist also eine „Sharp CutOff“ HF-Röhre. Sie hat – das nur nebenbei – recht viele Kopien bzw. Clons in unterschiedlicher Qualität.

Und wie (fast) alle HF-Pentoden ist sie auch ein (sehr) „steiler Zahn“ (9mA/V). Gemessen an dem ist die 6SJ7 eine „lahme Lusche“ (ca. 1,6mA/V). Die Anodenverlustleistung ist dagegen mit 3W nur gegenrügig höher als die 2,5W bei der 6SJ7.

„Steile Zähne“ neigen aber auch zu divenhaften Verhaltensauffälligkeiten: Sie lässt sich gerne von äusseren Einflüssen „irritieren“. Damit eben das nicht passiert, wird Pin 1 (und damit der Metallmantel) auf Schaltungsmasse gelegt. Sie soll weiterhin leicht unkontrolliert in’s Schwingen geraten. Logisch, wenn man den Gridstopper „vergisst“ und die 6AC7 bis zum Anschlag ausfährt.

Und sie soll „Brummen“. Das Datenblatt von General Electric gibt an, dass man diese Röhre in NF-Anwendungen mit Gleichspannung beheizen sollte. Ich darf aber versichern, dass das auch mit symmetrierter Wechselspannung ohne Probleme funktioniert.

Und, wie soll es auch anders sein: Auch bei dieser Röhre existiert die Mär, dass die 6AC7 auch durch eine 6SJ7 ersetzt werden kann. Ja, das geht, muss aber die deutlich geringeren Verstärkung in Kauf nehmen. Siehe Bild.

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Hinweis: Meinen Schnappschusskünsten ist es zu verdanken, dass es so aussieht, als würde da alles andere als ein sauberes Sinus abgebildet sein.

6J5

Entspricht, wie bereits erwähnt, in etwa einer halben 6SN7GT. Und nun „uffbasse“: Ich muss zugeben, dass ich da vorher gar nicht so darauf geachtet habe bzw. vollkommen daneben lag: Sowohl die (einfache) 6SN7GT (auch das russische Äquivalent 6H8C) als auch die 6J5 haben einen recht niedrigen Uf/k-Grenzwert. Einhundert Volt bei der 6SN7 und „nur“ 90V bei der 6J5.

Schaltet man derartige Röhren als „Impedanzwandler“ bzw. als Kathodenfolger, dann ist die Gefahr, dass das Uf/k überschritten wird, nicht von der Hand zu weisen. Die Heizung hoch zu legen (das Potential auf etwa 50V bis 60V festzunageln), ist also erst einmal eine gute Idee – wenn man denn Platz hat.

Lediglich die 6SN7GT-A und -B besitzen, neben der höheren Anodenverlustleistung, einen deutlich höheren Uf/k-Grenzwert (200V). Aber… Finden Sie mal derartige Röhren. Echte, meine ich.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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