A Kind of „magisches Auge“

Feinheiten

„Magische Augen“ (Balken, Waage, Fächer, Wasauchimmer) sind sehr empfindsame Geschöpfe, was vor allem die Ansteuerung betrifft. Gut möglich, dass der errechnete „neue“ Kathodenwiderstand oder der Spannungsteiler eine etwas zu hohe Spannung „produziert“. Den Widerstandswert experimentell zu korrigieren ist fast immer nötig. Oft liegt es nur an 0,2 Volt, um eine brauchbare Anzeige zu erhalten (etwa halbe Balkenhöhe, wenn der Ruhestrom auf den Punkt ist).

Wird die Endröhre angesteuert, steigt natürlich die Spannung an der Kathode. Dass aber die maximale Spannung des Chips (etwa 10V) erreicht wird, ist eher unwahrscheinlich, weshalb hier eine etwaige „Schutzelektronik“ fehlt. Um das zappeln der Anzeige bei Ansteuerung zu unterdrücken, ist der Kondensatorwert am „Gitter des Auges“ kräftig zu erhöhen, damit die Anzeige hinreichend träge wird (Hier wurden 4,7µF eingesetzt. Bitte auf Polung achten!).

Auch für „magische Augen“ gilt das Datenblatt, was besonders die Versorgungsspannung betrifft. Die eigentliche Beschaltung sollte dagegen kein Problem darstellen. Mit einem dünnen Lackmarker (zB. Edding) lassen sich auf dem Glas die gewünschten Markierungen anbringen.

Obacht!

Kommt es da nicht zu irgendwelchen Nebenwirkungen, wenn der Chip direkt mit der Endröhre verbunden wird? Nein, eigentlich nicht. Eigentlich…

Wenn man jedoch alle Regeln aus der Digital- und „Regeltechnik“ ausser Acht lässt, dann braucht man sich nicht zu wundern. Ja, ich habe es zunächst auch nicht grossartig beachtet (das Datenblatt gab diesbezüglich nichts her) und bin da blauäugig in sämtliche Fallen ’reingetreten, die es hier gibt.

Grob formuliert: Man behandelt diesen Chip genauso wie simple Spannungsregler (78xx und 79xx).

Die Versorgungsspannung (hier gleichzeitig auch Wandlerspannung) sollte mit einem Keramikkondensator (beispielsweise 100pF KerKo) abgeblockt werden. Den bitte so dicht wie nur irgendmöglich am Chip anbringen – keinesfalls irgendwo in der elektrischen Walachei. Wer es sich zutraut, lötet die Kerkos direkt an die Pins des Chips. Die 0V-Leitung (Masse) direkt und auf dem kürzesten Weg.

Fehlt dieser KerKo kann sich die Taktfrequenz durchschlagen, was man u.U. mit einem leisen Pfeifen im unteren Kilohertz-Bereich präsentiert bekommt. Einen KerKo kann man auch am Ausgang einsetzen. Ist nicht falsch.

Alleroberstes Gebot: Die Taktfrequenz darf den Chip nicht verlassen! Bitte wirklich Keramikkondensatoren einsetzen (kein Glimmer, kein Styroflex, schon gar nicht Tantal oder ähnliches Wunderzeugs). Auch wenn es keine Hochfrequenz im eigentlichen Sinne ist, so etwas ist verflucht tückisch. Mit KerKos bekommt man’s aber gut abgedichtet. Eine klangliche Auswirkung ist nicht zu befürchten.

Eine Messung mit Oszilloskop direkt an der Kathode der Endröhre ist anzuraten. Zeigt sich eine dicke, diffuse Linie am Bildschirm, kann man den Verstärker gleich wieder ausschalten…

Fatal kann sich auch eine zu lange Verkabelung (besonders die „Messtrippe“ von Kathode zum Chip) auswirken. Je kürzer die Verbindung, desto besser. Funktion geht vor Schönheit. Das ist kein Schaltschrank.

Magische Falle

Der Verstärker ist komplett umgebaut, durchgemessen und probegehört. Soweit alles supi. Jetzt „nur“ noch den Wandler nebst „magisches Auge“ anschliessen. Zunächst – man weiss ja nie – nur als Provisorium…

Dann wieder messen. Nanu? Das Rechteck auf einem Kanal nunmehr mit deutlichen „Überschwingern“. Auf dem anderen Kanal war das vormals lehrbuchmäßige Rechteck stark verunfallt. Die obere Waagerechte zeigte schräg nach unten (Pegelabfall im Tieftonbereich). Nanu? Was ist denn da kaputt?

Hat mich zwei Tage gekostet, um zu erkennen, dass da nix kaputt war. Dank des Provisoriums und den fehlende Kerkos hat’s die Taktfrequenz durchgehauen. Kurze Strippen, eine astreine Masse und KerKos erleichtern das Bastlerleben ungemein. Und schonen das Nervenkostüm…

Hinweis:
Diese Schaltung ist nur als Indikator – als Hinweisgeber – gedacht. Um das „richtige“ Ausmessen kommt man spätestens bei der BIAS-Justage (zB. beim Röhrenwechsel) nicht herum. Viele Zeigerinstrumente funktionieren ja ähnlich.

Die eigentliche Wandlerschaltung entstammt dem Datenblatt zu dem Chip.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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