Diese Momente…

Es gibt Momente, da verschlägt es selbst mir die Sprache. Ich, der schon alles gesehen zu haben glaubte. Und dann, dieser Moment, wo man dreimal hinschaut, nicht glauben will, was man da sieht, einen leichten masochistischen Anflug bekommt und nach Ohrfeigen bettelt, um aus diesem Traum aufzuwachen.

Vorgeschichte

Da steht ein alter Spark 765 Röhrenverstärker von 1997 in der Werkstatt herum. Der Besitzer hat ihn vergessen und ich denke, nach drei Jahren ist es an der Zeit, sich mal der Sache anzunehmen.

Wenn man dem Schaltplan trauen darf (das ist bei den alten Sparks so eine Sache), dann ist das eine Reminissenz an alte McIntosh-Verstärker. Also die Dinger, die den Ausgangsübertrager auf „geteilte Lasten» ausgelegt haben. Dazu noch eine eigene Wicklung für die Gegenkopplung.

Für das, was ich da vorhatte, waren die Trafos allesamt uninteressant. Und die Sache mit den „geteilten Lasten» überlässt man sowieso McIntosh. Die konnten das.

Ich hätte das Ding verscheuern sollen, anstatt mal genauer hinzusehen.

Da kann man doch…

Das Chassis weckte Begehrlichkeiten, da mal was „richtiges» mit anzustellen. Die Trafos wollte ich nicht, nur die Abdeckung (Ganzkörper-Trafohaube) war für mich interessant. Also mal eben die Haube samt Trafos herausnehmen. Geht ganz easy. Inständig hoffte ich, dass unter der Abdeckung nichts gepottet (also in Vergussmasse versenkt) wurde.

Wenn alles klappt, wie gedacht, dann geht der ganze „Mist» zum Lackierer. Der macht aus dem Kack-Shindo-Grün ein Metallic-Grau. Oder so.

Ende

Pech gehabt.

Es wurde gepottet.

Und zwar mit Aquariumkies und wahrscheinlich Expoxidharz.

Äh, ja. Sie haben richtig gelesen: Aquariumkies. Ist in allen Pötten zu finden. Wie die Trafos in dem Kies aussehen, will ich nicht wissen. Und meine Meinung zu derartigen Verstärkern / speziell Spark) erfährt gerade ein Update.

Man darf nun raten, wie das Gewicht von etwa 25 Kg zustande kam / kommt. Und wie die Schaltungen funktionierten, kann ich mir lebhaft vorstellen. „Wir machen Kies mit Kies.»

Beweis? Bilder.

Und so etwas wurde mal gelobhuddelt. Ja, wirklich…

Ganz ehrlich? Ich mag diese Momente nicht.
Hoffentlich wissen das die Bieter auf einer Auktionsplattform auch, dass sie gerade viel Geld für (wahrscheinlich viel) Aquariumkies bieten…

Nachtrag

Ich war mir nicht sicher, ob ich das nun unter „Abgeraucht» stelle, oder unter „Un-Röhriges». Da diese Kies-Technik, nichts, aber auch gar nichts, mit HiFi oder gar Röhrentechnik zu tun hat, steht’s jetzt in dieser Rubrik.

Als ob das nicht genug war, für einen Tag.

Da war nämlich noch der Moment, als ich in „meinem» Plattenladen einen doch energischen Verfechter von Laufrichtungsanzeigen auf Lautsprecherkabel zuhören musste…

Die gesuchte Schallplatte wurde schnell gefunden und ich wäre schnell wieder draussen gewesen. Die Platte musste aber noch gewaschen werden. Für einen Moment musste ich also dem Physik-Verweigerer zuhören…

Mehr zur Musik demnächst in diesem Theater…


Update 13.09.2017

Leserzuschrift

Ich habe eben mit Vergnügen Ihren Beitrag „Diese Momente» gelesen.
Offensichtlich ist diese Epoxy Sparmethode auch im Bereich der notleidenden Hifihersteller angekommen. Hätte ich erst mal nicht gedacht, daß es so was da auch gibt…

Mir ist es vor einigen Jahren ähnlich wie Ihnen ergangen, als ein Kollege mit den magischen Worten „Das tut nicht mehr – habt ihr Ersatz?» zu mir kam.

[Link zu diesem Produkt entfernt]

Es handelte sich um ein gewöhnliches Hutschienennetzteil aus der „Welt der Erwachsenen». Neugierig öffnete ich das Teil, weil ich glaubte, daß wahrscheinlich nur ein oder zwei Bauteile im Himmel sein konnten. Beim Öffnen stellte ich allerdings fest, daß das stattliche Gewicht des Netzteil in erster Linie auf Kies mit etwas Epoxyvergussmasse zurückzuführen war.

Zudem kam noch hinzu, daß dieses recht teure Teil auch keine elektronische Stabilisierung hatte – einfach ein Brückengleichrichter und ein 470µF Kondensator – das wars.

Ich habe dann unserem Einkauf eine preiswertere und höherwertige Alternative empfohlen…
Aber immerhin war das Gerät ja „tropentauglich»

BTW:
Im Bereich der Fertigungsmaschinen ist so eine Mixtur aus Epoxy und mineralischen Elementen durchaus üblich. Die Maschinen zeichnen sich durch eine geringe Temperaturempfindlichkeit und hohe Vibrationsdämpfung aus. Gerade Hochpräzisionsfräsmaschinen werde fast nur noch mit Mineralguß Maschinenkörper gebaut. Allerdings wird da natürlich ein etwas anderer Materialmix genommen.

Wer weiß, vielleicht haben Sie nur den Sinn der Maßnahme nicht erkannt und der Aquariumkies ist in erster Linie aus klanglichen Gründen (Resonanzdämpfung) verwendet worden

Mit freundlichen Grüßen

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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