Noch mehr Kabelsalat

Kaum zu glauben – wegen meinen Ansichten zu Cinchkabeln bin ich weder gekreuzigt noch gesteinigt worden. Im Gegenteil! Die Reaktion war größtenteils erstaunlich „bodenständig». Wenn man es nicht besser wüsste, könnte fast man meinen, dass teures und extrem aufgehübschtes Cinch Phantasieprodukte sind.

Ob ich denn nun auch noch etwas zu Netzkabel und Lautsprecherkabel schreiben könne? Klar kann ich und es wird prinzipiell genauso laufen, wie bei den Cinch-Audiokabeln auch. Im Gegensatz zu den Audio-Verbindungskabeln wird hier die Sache mit dem Stromfluss und dem Leitungswiderstand interessant. Ich verspreche: Es wird für die Kabelfetischisten unerträglich werden…

Hinweis: Im Folgenden bezeichne ich ein 3*1,5mm² Netzkabel (Phase, Nullleiter, Schutzleiter) oder das zweipolige Lautsprecherkabel einfach als 1,5mm²-Kabel. Analog gilt das für alle anderen Kabelquerschnitte. Der Einfachheitshalber gehe ich davon aus, dass es nur eine Kupfersorte (!) gibt. Die Raum- bzw. Umgebungstemperatur (!) ist auch immer gleich. Und mit HiFi-Anlage meine ich das klassische Setup bestehend aus einem Verstärker (bzw. Vor-, Endstufe), CD-Player, Plattenspieler und evtl. Tuner.

Typischer HiFi oder High-End Altar ;-)

„Typischer» HiFi- / High-End- / Multimedia- Altar 😉

Und dann lasse ich mal sofort einen „Kracher» heraus:
Netz- und Lautsprecherkabel unterscheiden sich in keinster Weise

Hey, vergessen Sie das Luft holen nicht.

Zunächst zu den Gegebenheiten, die ich vereinfacht habe.

Netzseitiges

Die Stromkabel in der Wand eines „Otto-Normal-Hauses» sind üblicherweise 1,5mm² dick (Mindestanforderung). Auf dem Weg zum „Audio-Altar» nimmt die Stromleitung Umwege und muss noch durch Verteilerklemmen (alt: Lüsterklemmen, neu: Steckklemmen – alles potentielle Fehlerquellen, die man hin und wieder mal kontrollieren sollte, mindestens jedoch der erste (!) Verteiler nach dem Haussicherungskasten).

Das Hausmauerwerk ist zwar geerdet, im trockenen Zustand (was zu wünschen ist) sind die Mauern allerdings ein sehr schlechter Leiter bzw. schirmen die Stromkabel nur sehr schlecht ab. Daher sind alle Stromleitungen Antennen für HF. Schlechte zwar, aber immerhin. Nicht zuletzt werden in den Leitungen hochfrequente Signale injiziert (Internet-Verbindungen, Babyfone, Schaltnetzteile etc).

Im Idealfall ist jeder Raum mit einer 16A bzw. 10A-Sicherung abgesichert. So ein Idealfall ist allerdings selten – meist teilen sich mehrere Räume und damit auch die Verbraucher eine Sicherung und damit auch eine Stromleitung (spätestens am Hausanschluss ist Schluss mit lustig äh… getrennte Stromkreise).

Das 1,5mm² Stromkabel kann – VDE-mäßig gesehen – mit etwa 3600 Watt (dauer-) belastet werden (230 Volt mit 16 Ampere multipliziert). 3600 Watt! Das ist eine ganze Menge. Zum Vergleich: Muttis Bügeleisen oder der Wasserkocher saugen sich während der Anfangs-Aufheizphase bis zu 2400 Watt aus der Steckdose. Sie werden kaum ein Haushaltsgerät finden, wo diese Wattzahl überschritten wird (Waschmaschine, Trockner, Herd etc. ausgenommen). Nicht ohne Grund.

Es war eine ganze Zeit lang modern (ist immer noch schwer angesagt, wie ich erfahren habe), bei Haus-Neubauten oder Kernsanierungen auf eine „dickere» Stromverkabelung (2,5mm²) auszuweichen. Das war und ist nicht verkehrt, denn die Mindestanforderung des Kabels ist für heutige Gerätschaften, trotz stromsparende Zwangsvorschriften der EU (die gleichzeitig auch den Strom „versaut»), doch etwas „dünn» geworden. Zieht ein Verbraucher im Einschaltmoment einen höheren Strom, sind deutlich spürbare Spannungseinbrüche im gleichen Stromkreis die Folge (deshalb gibt es ja den „Sanftanlauf» bei Staubsaugern oder der Halogenbeleuchtungen).

Die Mindestanforderungen bei der „modernen» Elektroinstallation ist in der Norm DIN-18015 spezifiziert. Diese wurde zuletzt 2010 lediglich „upgedatet». Für einen 16A-Stromkreis gilt nach wie vor: Bis zu einer Leitungslänge von etwa 18 Meter wird standardmäßig mit 1,5mm² verkabelt. Mit 2,5mm²-Kabel darf man die Strippen bis zu 30 Meter „ziehen».

Die Hardcore-HiFindianer legen eine separate Leitung (Minimum 2,5mm²) vom Hausanschluss (!) zum HiFi-Tipi. Das geht prinzipiell vollkommen in Ordnung. Erst recht dann, wenn im Wohnzimmer (oder wo auch immer) eine ausgewachsene PA steht. Witzigerweise ist die Absicherung im Sicherungskasten immer noch 16A, weil sich der Elektriker (durchaus berechtigt) weigert, dort 20A (4600 Watt) einzusetzen. Das ginge zwar, wenn das Kabel mindestens 3mm² dick wäre – die Grenze liegt aber woanders…

Halten wir also fest: Theoretisch möglich sind maximal 3600 Watt aus einer Steckdose. Mehr macht die 16A-Sicherung und das 1,5mm²-Kabel nicht mit. Ist im Haussicherungskasten ein 10A-Sicherung zu finden, dann reduziert sich die maximale Belastbarkeit auf 2300 Watt. Ach ja: Das Leitermaterial ist schnödes Kupfer und über das Kontaktmaterial von Verteilerklemmen oder 08/15-Steckdose breiten wir mal großzügig den Mantel des Schweigens. Theoretisch ist das deshalb, weil an der Leitung garantiert noch andere Verbraucher „hängen» und weil Schalter, Steckdose und Stecker anderen Anforderungen genügen müssen und die maximale (legale) Watt-Entnahme dadurch entscheidend gemindert wird. Weiterhin ist zu beachten, dass im Einschaltmoment durchaus höhere Leistungen abverlangt werden können.

„Haushaltsübliche» Steckdosen, Stecker, Schalter können eine Belastbarkeit von maximal 2500 Watt „vertragen». Die Angabe findet sich auf jedem Stöpsel- und Schaltermaterial: 250V/10A. Auch wenn unser Stromnetz „nur» 230 Volt liefert, wird hier immer mit 250V kalkuliert. Damit liegt man auf jedenfall auf der sicheren Seite (bei Stecker und Steckdose geht man von einem „Schaltvorgang» aus – nämlich das Stecken oder ziehen des Steckers – bleibt der Stecker permanent in der Steckdose ist eine höhere Belastung natürlich möglich…).

Halten wir also weiter fest: Praktisch steht für unsere HiFi-Anlage höchstens 2500 Watt sicher zur Verfügung, die wir ausnutzen könnten und die zunächst die Grenze markiert.

Das zu den (vereinfachten) Gegebenheiten.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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