Noch mehr Kabelsalat

Macht es nun Sinn, die HiFi-Anlage mit 2,5mm² Netzkabel samt Steckerleiste zu verbinden, wenn in der Wand nur 1,5mm² liegt?

Dann schauen Sie einmal nach, was Ihre HiFi-Anlage an Watt ziehen könnte. Den dicksten Watt-Brocken dürfte der Verstärker aufweisen – diese Angabe ist übrigens die maximale Leistungsaufnahme – realistisch gesehen, dürfte diese Leistung nie abverlangt werden (ganz einfach deshalb, weil der Verstärker dann die Clippinggrenze schon weit überschritten hat und (bei Halbleiterverstärker) gerade dabei ist, die Hoch- und Mitteltöner zu killen). CD-Player oder Plattenspieler sind dagegen „Peanuts». Na? Wieviel Watt?

Während Sie jetzt nachschauen und addieren, schreibe ich mal weiter…
Eine „normale» HiFi-Anlage mit Röhrenverstärker (bis etwa max. 2x100W Ausgangsleistung) wird kaum eine Gesamtleistung von 600 Watt aufnehmen können. Da fließen noch nicht einmal 2,5 Ampere. Mit einem „normalen» Halbleiterverstärker erreichen wir diesen Stromfluss bei weitem nicht. Bei richtig dicken, fetten Röhrenmonos, kratzt man (inkl. Röhrenvorstufe) vielleicht die 1500 Watt Marke an (Stromfluss etwa 6 Ampere). Selbst ein High-End Multimedia-Tempel (TV, Beamer, Mehrkanalverstärker, DVD etc.) wird kaum 2000 Watt aus der Steckdose saugen können (8 Ampere Stromfluss).

Eine klassische 300B Single-Ended zieht als Monoblock 120 bis 150 Watt (das aber nicht leistungsbezogen, sondern permanent). Für Stereoanwendung sind hier also etwa 300 Watt fällig. Der Stromfluss je Monoblock beträgt dabei mickrige 0,6 Ampere (600mA). Da darf man völlig legal und absolut VDE-konform ein 0,75mm² Netzkabel pro Monoblock verwenden. Ein „Eins-Fünfer»-Netzkabel ist da also schon überdimensioniert.

Bei der Recherche nach dem Leistungsverbrauch von Multimedia-Verstärker stieß ich zufällig auf einen 7.2 Mehrkanalverstärker. Offiziell wird eine Leistungsaufnahme von maximal 550 Watt genannt (ich musste diese Angabe heraussuchen, weil das in keinem „Testbericht» genannt wird – wohlweislich). Ebenso offiziell soll der Verstärker 200 Watt pro Kanal (insgesamt sind es sieben!) liefern. Also 7 multipliziert mit 200 ergibt 1400 Watt, was als minimale Leistungsaufnahme gelten sollte. Dazu käme noch der „Eigenbedarf» des Verstärkers… Watt in RMS (!) bei 1kHz (Aha, Sinussignal!) an 8Ω. Also 1400 Watt output bei 550 Watt input. Ich will das alles gerne glauben, befürchte jedoch, dass das mit der blöden Physik frontal kollidiert, weil man hier mehr herausbekommt, als man hinein gesteckt hat. Wenn Sie nun vermuten, dass eine Watt-Angabe nicht stimmig zu sein scheint, dann liegen Sie vermutlich richtig. Ein „Testbericht» wollte sogar noch mehr Watt aus diesem Verstärker heraus gezaubert haben… Nicht das wir uns missverstehen: Die Verstärker an sich mögen 200W/Kanal produzieren können – nur das Netzteil macht dem einen Strich durch die Rechnung, weil es nicht genügen Strom liefern kann – Um tatsächlich 1400 Watt Ausgangsleistung abgeben zu können, müsste das Netzteil bei geschätzter 40 Volt Versorgungsspannung min. 35A liefern können. Dividieren Sie die 550 Watt selber durch 7 und nehmen davon etwa 70% (Wirkungsgrad). Dieses Watt-Ergebnis ist realistischer.

Äh… Auf wieviel Watt Leistungsaufnahme sind Sie bei Ihrer HiFi-Anlage nun gekommen und würde ein Netzkabel mit 2,5mm² Sinn machen?

Machen wir es kurz: Auch wenn es nicht vorkommen sollte – man verhindert mit einem solchen Netzkabel „Engpässe» auf dem letzten Meter der Stromleitung. Und da alle HiFi-Komponenten an „eine Steckdose» gehören, kann sich eine Steckerleiste, die derartiges Netzkabel aufweist, als richtig erweisen. Man ist mit diesem Querschnitt ganz einfach nur auf der sicheren Seite.

Achtung! Es werden derartige Steckerleisten bzw. Filterleisten zwar beworben, ob der Schutzleiter (extrem wichtig bei Röhrenverstärker) aber ebenfalls 2,5mm² aufweist, steht meistens auf einem anderen Blatt. Es gibt Produkte, wo der Schutzleiter bestenfalls aus 1,5mm² besteht. Das dürfte Fragen aufweisen…

Soll aber nur der Röhrenverstärker mit „besserem» Netzkabel ausgestattet werden, reicht vielfach 1,5mm². Stecker und Buchse sind sowieso auf „nur» 2500 Watt (250V*10A) ausgelegt. Und diese Leistung wird der Verstärker nie nicht „ziehen». Was für ein 2400W-Bügeleisen gut ist (1,5mm² bei etwa 2m Länge), ist für ein Röhrenverstärker garantiert nicht schlecht. Aber…

Keine Regel ohne Ausnahmen!
Soll ein HiFi-Verstärkermonstrum (womöglich noch mit Ringkerntrafo) angeschlossen werden, können im Einschaltmoment wesentlich höhere Ströme fließen, was beachtet werden muss. So etwas ist so unüblich nicht. Auch hängt im Stromkreis heute meist nicht mehr nur das klassische HiFi-Setup.
Wenn die Verkabelung der Steckerleiste (intern wie extern) zB. 2,5mm² beträgt, dann sollte man dem Verstärker auch ein 2,5mm²-Netzkabel gönnen. Schliesst man ein „Eins-Fünfer-Netzkabel» an einem „Zwo-Fünfer-Verteiler» an, dann müsste sich nämlich – VDE-mäßig überkorrekt – vor den jeweiligen Steckdosen je eine Sicherung befinden.

Und wieder einmal das Stöpselmaterial (Stecker, Steckdose, Kupplung)!
Die Sache mit der sauerstofffreien Kupferader vergessen Sie am besten sofort wieder und macht kaum einen Sinn, weil das Kontaktmaterial von Stecker und Buchse meist aus noch minderwertigerem Material als Kupfer besteht (aus Sicht von Leitfähigkeit und Innenwiderstand). Viel wichtiger ist, dass hier der Kontaktwiderstand (Übergangswiderstand) so gering wie nur möglich gehalten wird. Alles was über 50mΩ hinausgeht, ist nicht brauchbar. Und bitteschön achten Sie auf das VDE-Zeichen. Es sind jede Menge Stecker, Buchsen und Kabelmaterial ohne VDE Zeichen „unterwegs». Ohne VDE-Zeichen geht nix. Zumindest nicht bei mir. Auch nicht mit Silber-Rhodium Kontakten. Kein VDE, kein Strom. Wenn etwas passiert, dann bin nämlich ich gekniffen. Da kann ich eine noch so gute Versicherung haben.

Auch in diesem Bereich kennt der „HiFi-Schamanismus» keine Grenzen. Da ist allerlei technischer Unfug (optisch sieht’s ja nett aus) zu finden. Palladium, Nickel, Messing oder Phosphor-Bronze als Kontaktmaterial sind beileibe nicht so unüblich und rechtfertigen keinesfalls einen Preis von über 100 Euro nur für einen nackten Netzstecker. Wer unbedingt 2000 Euro für ein 1,8m Netzkabel ausgeben will (das gibt es wirklich), weil er meint damit etwas für die „Stereobühne», das „Bassfundament» und für eine bessere „Durchhörbarkeit» tun zu wollen, gehört, meiner Meinung nach, sofort von Amts wegen entmündigt. Ich kann ad hoc 20 gemeinnützige Institutionen nennen, die für 1900 Euro dankbar wären, was dem Seelenheil des HighEnders wesentlich zuträglicher wäre.

Wegen Volksverblödung in schweren Fällen gehören die eingesperrt, die „Quantenstecker» oder „Noise Destroyer» vertickern wollen. Glauben Sie mir: Das CE-Zeichen und die RoHS-Mülltonne sind ebenso gefälscht, wie Berichte über die angebliche Wirkungsweise. Ein VDE-Zeichen werden Sie nicht finden – so ein Quatsch macht der VDE nicht mit.

Sie lassen sich auch nicht von Steckdosen verführen (300 Euro), die mit Kontaktmaterial aus Kupfer oder gar Silber glänzen. Kupfer bzw. Silber sind sehr weiche Materialien und sind damit alles andere als Kontaktsicher. Sie werden daher auch das VDE-Zeichen nicht finden. Wie auch bei den NF-Audiokabeln, so gilt auch hier, dass das meiste Zeug nur extrem mit nicht-leitendem Material aufgehübscht wurde.

Bleibt noch die Frage zu klären, ob das Netzkabel geschirmt sein soll. Auch hier: Prinzipiell nicht verkehrt und ein Muss, wenn Sie in unmittelbare Nähe einer starken HF-Quelle wohnen. Das Mobil-Telephon mit seiner gepulsten HF-Abstrahlung kann schon reichen. Auch das Netzkabel eines 500W-Halogenfluters entwickelt eine beachtliche Feldstärke, weshalb so ein Netzkabel überhaupt nicht in die Nähe von „HiFi-Geraffel» gehört. Ist die „Störung» aber bereits in der Stromleitung, hilft auch kein geschirmtes Kabel mehr…

Wenn man es ganz genau nimmt, verursacht jedes Gerät welches am Stromnetz angeschlossen ist, irgendwelche Störungen.

Netzkabel bzw. Steckerleiste selber bauen?
Wenn Sie sicher sein wollen, dass tatsächlich der Strom über mindestens 1,5mm² geführt wird, dann machen Sie es selber. Achten Sie auch auf gute, VDE-mäßige, Stecker und Kupplungen (Tipp: Es gibt 250V/16A „Stöpselmaterial» – allerdings wohl eher nicht im Baumarkt…). Bei so manchem handelsüblichen Kaltgeräte-Netzkabel beschleicht mich zudem das Gefühl, dass im PVC-Mantel keine 3 Adern zu je 1,5mm² stecken. Abgeschirmte Netzkabel gibt es auch. Bezahlbar. Pro Meter für roundabout 20 Euro. Mit VDE-Segen.

Billige Steckerleisten besitzen oft ein „interessantes» Innenleben, was das Material der Stromschienen (hoher Leitungswiderstand) betrifft. Ein „Markenprodukt» ist – gar nicht so selten – auch nicht unbedingt ein „Qualitätsprodukt». Auch kann es schon mal vorkommen, dass die Steckerleiste zwar das VDE-Signet und den Stempel „250V/10A» oder gar „250V/16A» trägt – das 1m Netzkabel (ein Meter wohlgemerkt) besteht jedoch im bestenfall aus 3*1mm²-Adern.

Drei Faustregeln:
1.) Alles was man nicht ohne kaputt zu machen öffnen kann, sollte tabu sein.
2.) Kurze Zuleitungskabel (unter 1,5m) stehen unter „Generalverdacht».
3.) Irgendwo steckt garantiert der niedrige Preis.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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