Lautsprecherkabel
Und da kommen wir zu den Lautsprecherkabeln. Wir haben hier in etwa die gleichen Voraussetzungen und Verhältnisse wie beim Netzkabel. Ja, was denn? Hier fließt zwar eine relativ geringe Wechselspannung, aber ein doch nennenswerter hoher Wechselstrom. Spannung multipliziert mit Strom ergibt Watt. Und Watt ist Watt. Egal ob aus Steckdose oder aus den Lautsprecherausgängen. Ich weiss, Physik ist blöd. Warten Sie mit der Schnappatmung noch etwas.
Kurz zur Verstärkerleistung und Hörempfindung bzw. Empfindung der Lautheit: Damit das menschliche Ohr die doppelte Lautstärke wahrnehmen kann, ist eine nahezu zehnfache Verstärkerleistung erforderlich. Man hört eben nicht linear, sondern logarithmisch. Den Unterschied von einem Watt zu zwei Watt wird man, so leid es mir tut, so kaum wahrnehmen können. Lediglich die Übersteuerungsgrenze des Verstärkers verschiebt sich etwas. Ja, OK, es wird bei 1,5 Watt lauter, aber würden Sie behaupten, dass das doppelt so laut ist?
Ausgangsleistung Strom & Spannung die durch das Lautsprecherkabel fliessen 1W 0,6A 1,66V davon "doppelte Lautstärke" 10W 1,66A 6V davon "doppelte Lautstärke" 100W 5A 20V
Anhand dieser Tabelle können Sie ersehen (hoch- oder runterschätzen), welche Spannungs- und Stromverhältnisse in einem Lautsprecherkabel herrschen können.
Die Aussage, dass das Lautsprecherkabel genauso wie das Netzkabel zu behandeln ist, ist soweit richtig. Bezogen auf den Stromfluss kann man aus der Tabelle ersehen, dass – rein theoretisch und physikalisch absolut korrekt – man mit einem 0,75mm² Lautsprecherkabel bei 100W Ausgangsleistung „auskommt». Ein handelsüblicher Fön, der vielleicht 800W Leistungsaufnahme hat, ist auch nur mit 0,75mm² Netzzuleitung ausgestattet. Aber…
Im Lautsprecherbereich „arbeiten» wir mit niedriger Spannung. Der Leitungswiderstand macht sich hier wesentlich schneller und stärker bemerkbar, als bei 230 Volt. 4 Volt Spannungsabfall hört sich wenig an, kann aber reichen, um einen Verlust von beispielsweise 5 Watt zu „produzieren». Am Lautsprecher kommen daher nie die 20 Watt an, die der Verstärker produziert. Bezogen auf 230 Volt liegt dieser Spannungsabfall noch ganz weit innerhalb jeder Toleranz und dürfte vom Verstärker überhaupt nicht „bemerkt» werden.
Skineffekte und Kabelkapazitäten – all‘ das spielt keine Rolle. Lediglich bei Induktivität lasse ich mit mir reden. Letzteres sollte sich deutlich unterhalb drei bis vier Mikrohenry (µH) bewegen, um (später am Lautsprecher) keinen Höhenabfall zu produzieren. Das geht fixer als man denkt.
Bis hierhin haben Kabelskeptiker Recht. Kein Thema.
Kabelklang?
Das, was die Kabelskeptiker anbringen, ist nur eine Seite der Medaille. Zu den eigentlichen Leitungsverlusten (Leitungswiderstand in Ohm) kommt hier noch die Sache mit dem Dämpfungsfaktor hinzu. Der Dämpfungsfaktor spiegelt das Verhältnis der Lautsprecherimpedanz zum Innenwiderstand des Verstärkers wider. Und zwischen Verstärker und Lautsprecher ist eben was? Richtig, das Kabel!
Halbleiterverstärker haben gegenüber Röhrenverstärker immer einen niedrigeren Innenwiderstand und somit einen höheren Dämpfungsfaktor. Hat ein Verstärker zB. einen Innenwiderstand von 0,08Ω und wird dieser an 8Ω-Lautsprecher angeschlossen, dann ergibt sich daraus ein Dämpfungsfaktor von 100 (8 dividiert durch 0,08). Diesen Wert sollte man auch mit der Lautsprecherverkabelung erreichen. Theoretisch.
Ich schiebe hier mal eben dazwischen, dass die „Typen» von der Röhrenverstärkerfraktion gerne eine satte Fehlanpassung vornehmen, weil es sich ganz einfach „besser», „natürlicher», anhört. Rechnen Sie mal mit dem o.g. Verstärker-Dämpfungsfaktor an 4Ω-Lautsprecher…
Praktisch ist die Lautsprecherimpedanz keine stabile, sondern eine veränderliche Größe (Auslenkung und Geschwindigkeit der Membrane, die „Rückwirkung» auf den Verstärker…) und gemeinerweise auch noch frequenzabhängig. Dazu kommt, dass, je aufwendiger die Frequenzweiche, der Lautsprecher vom Verstärker unkontrollierbarer wird. Die Dämpfungsfaktorangabe des Verstärkers ist daher zunächst einmal nur eine nettes Beiwerk, aber ein Wunschwert, der in der Praxis kaum reproduzierbar erreicht wird (dafür sorgen schon allein die Toleranzen von Lautsprecher und Bauteile eines Verstärkers – aus zuverlässiger Quelle wurde mir zugetragen, dass das reproduzierbar zu hören ist).
Je dicker nun das Lautsprecherkabel, desto niedriger der Leitungswiderstand und damit der Leistungsverlust, desto mehr nähern wird uns dem idealen Dämpfungsfaktor. Um unseren zuvor genannten Wunschwert von 100 zu erhalten, müsste man bei einer Kabellänge von 5m bereits ein 4mm² Kabel einsetzen welches auf der gesamten Länge einen Gesamtwiderstand (also beide Adern) von lediglich 0,04Ω aufweist. Ein 2,5mm²-Kabel besitzt zwar einen geringfügigen höheren Widerstand, „produziert» aber einen merklich schlechteren Dämpfungsfaktor von beispielsweise 75. Ein „Eins-Fünf»-Kabel verschlechtert den Dämpfungsfaktor bereits auf 50. Diese Auswirkung wird man hören können. Man bezeichnet das dann als Kabelklang.
Bei Röhrenverstärker sieht die ganze Geschichte ganz anders aus. Hier haben wir es mit einem hohen Innenwiderstand und einem niedrigen Dämpfungsfaktor zu tun. Ein Lautsprecherkabel, was sich an einem Halbleiterverstärker gut anhört (das ist sowas von beschissen formuliert), kann sich an einem Röhrenverstärker klanglich ins Gegenteil umkehren. Man hat bei einem Röhrenverstärker nur drei Ansatzpunkte, um einen möglichst hohen Dämpfungsfaktor zu erzielen: Ein niederohmiges Schaltungskonzept, ein schlankes Netzteil und eine Gegenkopplung, die man auf den Lautsprecher anpassen kann.
Die zuvor genannte Kabellänge von fünf Meter wird schnell überschritten, wenn sie keinen „HiFi-Altar» aufbauen wollen. Dann müssen noch (um Krach mit der besten Ehefrau der Welt zu vermeiden) die Kabel von Verstärker zu den Lautsprechern „sauber» und nahezu unsichtbar verlegt werden. Das machen Sie mal mit 2*4mm²… Da kommt Freude auf.
Es ist also Nonsens, ein bestimmtes Lautsprecherkabel pauschal als das Non-plus-ultra zu empfehlen. Es kann durchaus sein, dass ein 4mm² 5m Baumarkt-Kabel sich als optimal erweist und „Hi-Tech»-Kabel auf ganzer Linie versagen. Das gilt dann aber nur auf diesen einen Fall bezogen – mit diesem Verstärker und mit diesem Lautsprecher.
Übrigens: Ein hoher Dämpfungsfaktor ist kein Garant für guten, präzisen Klang. Es kommt wirklich nur darauf an, wie gut sich der Lautsprecher vom Verstärker kontrollieren lässt (Rückwirkung auf den Verstärker durch die Membranauslenkung), um „Klang-Misch-Masch», die der Lautsprecher verursacht (und nur der) zu vermeiden. Von dieser rückwärtigen Warte aus betrachtet, könnte man nun sagen, dass die Lautsprecher für den Röhrenverstärker besser mit einem Kabel verbunden werden sollten welches einen höheren Leitungsinnenwiderstand aufweist, um die Rückwirkung auf den Röhrenverstärker (der darauf wesentlich empfindlicher reagiert) wenigstens etwas Widerstand entgegenzusetzen.
Sauerstofffreies Kupfer bringt, außer ein paar Prozentpunkte weniger Leitungswiderstand, auch hier kaum etwas. Bevor man aber auf den nächst höheren Leitungsquerschnitt wechselt, kann man es ja ausprobieren. Hier lasse ich so ein Material gelten. Achtung: Wenn Sie reproduzierbar das sauerstofffreie Kabel sofort hören, erst dann ist dieses Kabel richtig. Wenn Sie es erst nach langer, anstrengender Hör-Session zu er-hören glauben, dann befinden Sie sich in tiefer Selbst-Hypnose.
Kleine Anekdote: Vor einigen Jahren war es hypermodern, zB. ein 20-poliges Flachbandkabel als Lautsprecherkabel zu verwenden. Hierzu wurden alle geraden und ungeraden Adern parallel geschaltet. Eine Ader ist dabei gerade einmal 0,09mm² dick. Durch das Parallelschalten erhält man folgerichtig einen Querschnitt von 0,45mm² pro Ader! Dieses Kabel (es kommt nur aus dem EDV-Bereich) wurde ohne Bedenken auf 5 Meter konfektioniert und an den 100 Watt Verstärker gehängt (Stromfluss bei 100 Watt: 5A!). Ich bin mir sicher, dass sich bei der Begründung, warum dieses Kabel so unglaublich „toll», „detailreich» und „auflösend» ist (war), sich die „drei Heiligen», nämlich George Simon Ohm, Joseph Henry und Michael Faraday, im Grab umgedreht haben. Es empfiehlt sich übrigens nicht, einen dicken Querschnitt aus mehreren dünnen Querschnitten herzustellen – der Leitungswiderstand reduziert sich zwar entsprechend, alle anderen „Kabeleigenschaften» werden jedoch kumuliert.
Zu den anderen Dingen wie Kabel-Mikrofonie (Autsch!), Zeitkonstante (Auhaua), Skineffekte (Ochnö), Einspielzeit (Vogelzeig), Laufrichtungsanzeige (Wollzemichverarschen?), Laufzeitfehler (jetztschlägtsdreizehn)… Kurz, knapp und präzise: Bullshit100. Sollte Ihnen irgendjemand Kabel mit derartigen Argumenten verkaufen wollen, dann schauen Sie sich mal um. Vielleicht sind Sie gerade Hauptdarsteller von „Verstehen Sie Spass». Zumindest nehmen Sie gerade unfreiwillig am Verarschungs-Wettbewerb der Verkäufer teil.
Ich darf weiterhin ungestraft behaupten, dass das Entkoppeln des Kabels vom Fußboden mittels Porzellan aus der Ming-Dynastie nur „interessant» aussieht. Nicht mehr und nicht weniger.
Fazit: Kabel klingen nicht. Können gar nicht klingen. Der Verstärker produziert nur eine frequenzabhängige Wechselspannung mit einer gewissen Stromstärke, die durchs Kabel geschickt werden. Kabel können aber Auswirkungen auf die Arbeitsweise des Lautsprechers haben. Ändert sich reproduzierbar die Arbeitsweise des Lautsprechers mit jedem neuen Kabel, dann hat man einen beschissenen Lautsprecher.
Oder Verstärker.
Oder beides.
Nachtrag: Geben Sie bitte nicht den Suchbegriff „Kupfersorte» im Suchfeld einer Suchmaschine ein. Die Gefahr, dass man völlig desillusioniert wird, was bleibende Schäden verursachen könnte, ist immens.
Noch’n Nachtrag: Wenn Sie wissen wollen, wie sich 2 oder 4 Milliohm in der Lautsprecherzuleitung auf den Lautsprecher auswirken können (!), dann kann man für relativ kleines Geld entsprechende Festwiderstände kaufen (nötigenfalls entsprechend parallel schalten) und in beiden Leitungen (!) einschleifen.