Ist der „Drang» sich „mal eben» einen Röhrenverstärker zu kaufen einmal da, dann ist die Ratio oft genug erster Verlierer. Der Röhrenverstärkerkauf ist eine höchst emotionale Sache. Wie so vieles.
Das wissen auch die Händler. Es geht schon längst nicht mehr um ein durchdachtes Schaltungsdesign. Hemmungslos bedient man die niederen Instinkte: Ansprechendes Aussehen, optischer Schnickschnack gaukelt Technik vor, „geschönte» technische Angaben und – natürlich – das alles zum „das-will-ich-jetzt-und-hier-haben-Preis».
„Probleme» mit Röhrenverstärkern scheinen sich in letzter Zeit zu häufen! Ich hatte schon einmal im Januar darauf hingewiesen, worauf man zu achten hat.
Streng genommen ist dieser Leitfaden (der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt) eine völlig un-technische Zusammenfassung von bereits erschienenen Artikeln und zielt ganz besonders auf den röhrentechnische Laien (das ist nicht negativ gemeint).
In aller Deutlichkeit: Röhren-HiFi ist purer Luxus. Wer glaubt, dass nur mit Röhrenverstärker HiFi oder gar HighEnd möglich ist, der irrt. Fast jeder Halbleiterverstärker kann es besser und vor allem billiger.
Ich brauche Details…
Kundig macht man sich dann häufig zunächst im Internet. Diverse Foren werden abgeklappert und wenn man nur drei Lobeshymnen über einen Röhrenverstärkers liest, dann wird gekauft. Ob gebraucht oder neu – das ist egal. Ist der Drang nach einem Röhrenverstärker einmal da…
Aber: Mach achte auf das Datum in den Foren. Oftmals ist die Lobeshymne verjährt und der (ach-so-tolle) Röhrenverstärker bereits weiterverkauft. Skepsis sollte auch aufkommen, wenn innerhalb kürzester Zeit Beiträge über diesen oder jenen Verstärker „generiert» werden. Fast jedes Forum bietet eine Funktion an, nach der Beitragsanzahl und den eigentlichen Beiträgen des jeweiligen „Autors» suchen zu lassen. Sie werden etwas verwundert werden. Garantiert.
Diese (Werbe-) Taktik entstammt der Idee des Guerilla-Marketing und wird von seriösen Unternehmen eigentlich nicht mehr praktiziert, da zurecht in Verruf geraten. Es funktioniert aber immer noch und es wird genutzt (u.a. im Bereich der Meinungsbildung).
Nehmen Sie sich die Zeit und recherchieren Sie! Wenn das Objekt der Begierde nicht in den „üblichen» Medien zumindest besprochen oder beworben wurde, sollten Sie sich Gedanken machen. Sie sollten bei den Medien aber immer in Hinterkopf behalten, dass der „Pressekodex» negative Berichte Aussagen verbietet. Jeder Röhrenverstärker hat seine Stärken und seine Schwächen. Letzteres wird dann gerne „verschwurbelt» oder es steht zwischen den Zeilen. Und auch das passiert: Ein reiner „Gefälligkeitsbericht» – selten zwar – aber es kommt vor.
Fachleute für den Röhrenverstärker-Verkauf gesucht!
Fragen Sie vorher jemanden, der sich mit Röhrenverstärker wirklich auskennt. Leider hüllen sich immer mehr Fachleute, oftmals für immer, in Schweigen.
Selbsternannte Fachleute (häufig an komische Avatare in den Foren erkennbar) lassen Sie dabei aussen vor. Nach längerer Zeit habe ich mich mal in den Foren umgeschaut – viele Leute mit „Kenne» haben die Forenarbeit aufgegeben. Die berufsmässigen HiFi-Hobbyisten sowieso. Ein Grund auch: Der rüde Umgangston sowie Selbstherrlichkeit.
Heute findet man nicht selten nur noch die „Fachleute», die einen Kohlepresswiderstand nicht von einem Kohleschichtwiderstand unterscheiden können, oder die Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen einer Kathodyn- und Kathodenschaltung haben – aber „richtige Experten» beim Röhrentausch sind und in eine EL34-Schaltung eine KT88 flanschen und dann mit Versatzstücken aus der HiFi-Esoterikwelt um sich werfen – von wegen Stereobühne, Durchzeichnung, Auflösung und ähnlichem Bullshit.
Vor längerer Zeit unterhielt ich mich mit einigen Importeuren bzw. B2B-Händlern über „Qualität beim Verkauf». Ein Grundtenor war, dass man hilflos zusehen muss, wie die Verstärker oder sonstige HiFi-Produkte verramscht oder von ahnungslosen Verkäufern dem technischen Total-Laie wortgewaltig aber Inhaltsleer aufgeschwatzt wird.
Eine Erfahrung die ich leider bestätigen muss. Was man sich da manchmal zurecht stammelt, ist wirklich erschreckend und bedenklich! Ich sage zB. klipp und klar, dass ich elektrotechnisch total minderbemittelt bin und für den Glühlampenwechsel einen Elektriker rufen muss. Trotzdem wird versucht, mir einen Röhrenverstärker anzudrehen, für den man zur Ruhestromeinstellung – bewaffnet mit Schraubendreher und Multimessgerät – „in die Röhrenschaltung» zu kriechen hat. Ob man denn hier im Geschäft den Ruhestrom einstellen könne? Antwort: Nein.
Grundgütiger… Wer da nicht flüchtet, ist selber schuld. Man kann ja schon von Glück reden, wenn der Verkäufer die Sache mit dem Ruhestrom überhaupt erwähnt (dann hat sich der Verkäufer zumindest etwas kundig gemacht).
Wenn man denn schon verkaufen muss und der Kunde als Techniklaie unbedingt einen Röhrenverstärker haben will (der Drang…), dann wäre einzig und allein ein reiner Class-A bzw. Class-AB Verstärker sinnvoll. Also ein Röhrenverstärker, bei dem wirklich nichts einzustellen ist. Ausser die Lautstärke.
Wer nicht wirbt, stirbt.
Ein alter Bart von der Bartwickelmaschine. Stimmt aber heute immer noch. Doch so mancher Händler scheint so eine panische Angst vor’m sterben zu haben, dass er seine Ware marktschreierisch, wie auf dem Hamburger Fischmarkt, anpreist bzw. anpreisen muss. Dazu noch mit Superlativen und Aussagen / Behauptungen, für die sich der Verbraucherschutz interessieren könnte.
Wer so laut schreit, hat es wohl bitter nötig. Meistens findet man den Marktschreier nur auf „erfolgsbasierten» Verkaufsplattformen – oder auf dem Hamburger Fischmarkt.
Übrigens: Vergessen Sie den Röhrenverstärkerkauf, wenn der 50W-Verstärker streichholzschachtelgrosse Übertrager besitzt und dieser einen Frequenzbereich von 6Hz bis 30kHz aufweisen soll.
Money, Money, Money…
Der Röhrenverstärkerkauf geht einher mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Gute Röhrenverstärker kosten aber gutes Geld. Da ist nicht dran zu rütteln. Das ist so. Aber jeder muss so seine eigene Erfahrung bei 500 Euro Kisten machen. Und wenn es die letzte Lebenserfahrung überhaupt ist. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, zu „missionieren».
Doch es sind nicht nur die Anschaffungskosten gemeint, sondern auch die Folgekosten und die Betriebskosten. Sobald Sie nämlich den Röhrenverstärker einschalten, dreht der Stromzähler Extrarunden. Während sich ein Stereo-Halbleiterverstärker mit 100 bis 200 Watt maximale Leistungsaufnahme begnügt, sind es bei einem gleichstarken Röhrengegentakter schnell zwischen 300 bis 500 Watt. Wenn man den Single-Ended Fetisch frönen will, sieht das Verhältnis von Leistungsaufnahme und das, was hinterher am Lautsprecher ankommt, noch schlechter aus. Wer den Röhrenverstärker auch noch als Hintergrundbeschallung laufen lässt (erlebe ich oft genug), der wird sich sich am Ende des Jahres stark wundern, wo denn nun das Geld geblieben ist…
Röhren – der Preis ist heiss!
Röhren sind Verschleissteile. Punkt. Ein Transistor „lebt» unter normalen Umständen länger. Gerade bei Single-Ended bilden die Endröhren hohe Folgekosten. Hier muss allerdings auch gesagt werden, dass so manche Röhre mit Hype- und Designaufschlag gehandelt wird. Dazu kommt, dass die Hersteller (vor allem bei „Anschaffungsgünstigen» Geräten) so ihre ganz eigene Auffassung von „schonendem Betrieb» haben, denn meistens arbeiten die Röhren „hart am Limit» – vor allem bei Class-A Verstärkern. Sollten Sie sich so einen Verstärker anschaffen wollen / müssen, dann sparen Sie schon einmal auf einen neuen Röhrensatz.
Es ist kein „Chinaprivileg», schlechte oder gute Röhren auf den Markt zu bringen. Das hat man früher auch in Deutschland oder den USA ganz gut gekonnt. Sie glauben doch nicht wirklich, dass zB. eine JAN 6SN7GT (also eine Militärröhre) speziell für’s Militär hergestellt wurde? Das sind „nur» Röhren die aus laufender Produktion stammen, aber handverlesen sind.
So ähnlich funktioniert das auch bei „China-Verstärkern». So mancher Dumpingpreis kann nur noch zustande kommen, wenn man quasi Ausschussware einsetzt – also Röhren, die eigentlich eingestampft gehören. Dass man hemmungslos beim bestempeln ist, ist ebenfalls kein „Chinaprivileg».
So dumm sind „die Chinesen» übrigens auch nicht: Wenn man als Einkäufer zu sehr den Preis drückt, bekommt man mit einem freundlichen Lächeln genau das, wofür man bezahlen will… Gute Röhren finden ihre Abnehmer (Marshall oder Unison können es sich zB. nicht leisten, den Firmenruf mit schlechten Röhren zu versaubeuteln…)
Gute Röhren kosten gutes Geld. Das hin und wieder eine Charge total daneben ist, kann passieren und muss man – auch heute noch – einfach akzeptieren.
Watt-Wanderung
Lassen Sie sich nicht blenden! Weder von schönen Worten, noch von den Bildern, noch von den Leistungsdaten. Und das gilt pauschal: Kein Verstärker kann mehr oder in etwa der Höhe der Leistungsaufnahme „produzieren». Das erlebt man besonders oft bei sog. Heimkinoanlagen! Wenn bei einem Verstärker eine Leistungsaufnahme von 200W angegeben ist und dieser dann 500W produzieren soll, dann sind zunächst lediglich die 200W reell.
Welchen Unfug man mit RMS treibt, darüber habe ich mich schon ausgelassen. Ebenso über die Frequenzen, die ein Röhrenverstärker angeblich schaffen soll. Die meisten Frequenzangaben sind (besonders bei preisgünstigen Verstärkern) bei ganz niedriger Leistung ermittelt, denn eine Eigenschaft eines Übertragers ist, dass er bei geringer „Belastung» bessere Daten aufweist, als unter reeller Belastung. Man kann schon von Glück reden, wenn der Hersteller die Messbedingungen dazuschreibt, zB. „ermittelt bei 1W» oder „ermittelt bei 10W».
Wieviel Leistung braucht man? Das hängt erst einmal von den Lautsprechern ab. Je geringer der Wirkungsgrad desto mehr Leistung muss man in die Lautsprecher pumpen, um überhaupt etwas zu hören. Der Wirkungsgrad wird bei Lautsprechern immer irgendwo genannt und drückt sich in Dezibel (dB) aus. Hier gibt es zwei Messverfahren: dB/1W/1m und dB/2,83V. Wird eine recht hohe Dezibelangabe (>90dB), ohne weiteren Zusatz, bei einer Dreiwegebox genannt, darf man fast schon getrost von db/2,83V ausgehen. Ziehen Sie davon einfach 5 Dezibel ab, dann hat man etwa den Wert dB/1W/1m.
Single-Ended Verstärker, die maximal 8W pro Kanal produzieren, benötigen Lautsprecher mit mindestens 94dB besser jedoch 96/1W/1m. Je mehr, desto besser. Faustformel: Je umfangreicher die Frequenzweiche des Lautsprechers, desto mehr Leistung wird in der Frequenzweiche verbraten. Ein 2 x 80 Watt Verstärker erscheint nur im ersten Augenblick übertrieben, macht aber an Vierwege-Lautsprecher durchaus Sinn. Die 80 Watt schafft vielleicht der Verstärker – nur die werden nie von den Lautsprechermembranen abgestrahlt werden können. Aber: Ein potenter Verstärker hat auch enorme Reserven. Und wenn man es einmal richtig krachen lassen möchte, dann wird man froh um diese Reserven sein.
Ehrlichkeit – eine verlorene Tugend
Auch wenn einige schwarze Schafe die „Wahrheit dehnen» und es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nehmen – Seien Sie ehrlich zu sich selbst!
300 bis 500 Volt lauern darauf, Sie daran zu erinnern, dass Sie es besser nicht gemacht hätten. Und sollten Sie versehentlich 400 Volt kurzschliessen, dann wird da eine enorme Energie frei. Jeder, der schon einmal einen 400 Volt „Peitschenhieb» bekommen hat oder versehentlich einen Kurzschluss „baute», ist für’s Leben geheilt. Auch ich bekomme hin und wieder einen „gewischt». Danach habe ich zunächst auch keine Lust mehr auf Röhrenverstärker und muss oft noch den Schraubendreher suchen gehen, den ich vor Schreck quer durchs Zimmer geworfen habe.
Last but not least:
Ich habe es selber erlebt! Manchmal muss man den „Kunden» vor sich selber schützen. Nötigenfalls mit der Keule.
Gebrauchtgeräte sind so eine ganz spezielle Geschichte. Ein „guter» Röhrenverstärker wird nur aus zwei Gründen verkauft: Man braucht Geld (warum auch immer bzw. der Unterhalt ist zu teuer) oder der – ach so tolle – Verstärker ist gar nicht so toll. Häufig genug ist Letzteres der Fall und dann „muss man sich schweren Herzens» davon trennen. Und gar nicht so selten ist der Röhrenverstärker auch noch verbastelt.
Verstärker, die mit bräunlich verfärbten Röhrengläsern angeboten werden, sind Kostenfallen. Das vermeintliche Schnäppchen muss dann mit neuen Röhren versehen werden. Inspektion und Ruhestromabgleich inklusive. Wenn Sie es selber können, gut. Weniger gut, wenn Sie keinen kennen, der das „mal eben» für Sie erledigt. Gebrauchte Röhren sind immer mit Vorsicht zu geniessen und produzieren manchmal seltsame „Defekte».
Zum Schluss nochmals das liebe Geld. Ohne Moos nix los. Und wer billig kauft, kauft zweimal. Noch deutlicher kann man es nicht sagen.
Zum Schluss die Kehrseite der Medallie. Ganz kurz.
König Kunde?
Ja, der Kunde ist König. Aber nur solange er sich königlich benimmt. Für so manchen „Kunden» wäre der „Bettlerstatus» schon eine Auszeichnung.
Update 2. April 2015
Kurz nach Veröffentlichung dieses Artikel bestätigt mir „König Kunde» genau das zuvor beschriebene Händlergebaren bei einem „Problem» mit einem Röhrenverstärker. Anstatt echte Problemlösung kam es zu „Umsatz mit aller Gewalt». Es hat mich wirklich gewundert, dass dem Kunden keine „Klangschälchen» vertickert wurden.
Nachdem ich mir die „Problembeschreibung» angehört habe, musste ich zu dem Schluss kommen, dass etwas an der Ruhestromeinstellung nicht stimmig ist bzw. der Bock bei den Röhren zu suchen ist. Das „Problem» trat nämlich erst nach etwa 30 Minuten auf. Neues (natürlich schweineteures) „HiFi-Equipment» beseitigte zwar nicht das „Problem», steigerte jedoch zuverlässig den Umsatz. Dass sich „König Kunde» jetzt irgendwie „komisch vorkommt», sollte verständlich sein.
Nach weiterer Aussage von „König Kunde» war das noch ein „besserer» Händler. Es gab „Verkaufsbuden», da wurde sofort auf dem Absatz kehrt gemacht. Ach ja: „König Kunde» wollte eigentlich gar keinen Röhrenverstärker… Da hat also jemand zu den Niet-Druckknöpfen Nähgarn verkauft.
Es besteht übrigens gar keinen Anlass zu denken, dass „Kunde wohl dumm war». Beim nächsten Autokauf sprechen wir uns wieder…