Tückische Elektrik-Tick
Bei Reparatur oder Wiederherstellung sollte man pragmatisch vorgehen. Und viel Zeit mitbringen. Glauben Sie mir, ich weiss wovon ich Rede. Nach über 25 Jahre „Ehe“ und einigen „Eheberatungen“ kennt man sich…
„Gut gepflegt“ im Verkaufstext bedeutet letztendlich: Nach grober Funktionsprüfung folgt eine liebevolle Demontage. Bei der Gelegenheit wird auch die Netzspannung auf 240V eingestellt. „Gut gepflegte“ Plattenspieler sind oft noch auf 220V eingestellt. Es soll aber auch Plattenspieler geben, die tatsächlich gut gepflegt sind und heute noch so aussehen, als ob sie gerade aus dem Karton kommen und auch noch tadellos funktionieren.
Die Telefunken-Konstrukteure haben sich da übrigens etwas feines ausgedacht. Im hinteren Teil der Bodenwanne, links und rechts, befinden sich, versetzt, Vorrichtungen, in die man das komplette Chassis hochkant hineinstellen kann. Bequemer geht es nicht mehr. Wer behauptet, dass man vier oder mehr Hände benötigt, hat noch nie einen S600 in der Hand gehabt. Und nun fängt man zur Einstimmung mit dem Einfachen an:
Die unbeschalteten Kontakte am Netzschalter sind zu isolieren. Nicht abkneifen! Schrumpfschlauch oder Heisskleber – alles ist besser, als diese offenliegenden Kontakte. Steht der Plattenspieler nämlich im „Service-Modus“, wird man früher oder später prickelnde Erfahrungen machen. Also, safty first!
Den Entstörkondensator am Netztrafo kneift man ungeniert sofort ab bzw. ersetzt ihn. Der ist übrigens ein Überbleibsel aus dunklen „FTZ-Zeiten“ (Post), in denen alles tot bedämpft wurde (aus dem gleichen Grund finden sich auch UKW-Entstördrosseln). Der Original-Kondensator hat bei der 240V-Spannungseinstellung keine Funktion, weshalb der neue Kondensator umgelötet werden sollte. Der Kondensator soll nur evtl. auftretende Spannungsspitzen (Abreissfunken an den Schalterkontakten), die beim An- und Ausschalten entstehen können, unterdrücken. Ich setze 10nF/1000V Vielschichtkeramik ein – fertig.
Dann ist die gesamte Verkabelung zu prüfen. Besonders die Masse (schwarzes Kabel) und die Verbindung zum Tachogenerator (blau und weisses Kabel). Das macht man übrigens auch nach der Reparatur. Ein ab- oder durchgeknicktes (Wackelkontakt) Käbelchen – besonders am Pfostenstecker – bemerkt man nicht sofort.
Als letztes entfernt man die vier Kunststoff-Pfropfen die im Boden stecken. Da der Plattenspieler sowieso vernünftige Gerätefüsse bekommen wird, sind diese überflüssig. Die entstehenden Löcher sorgen dann dafür, dass von unten Luft kommt und damit das thermische Problem lindert.
Das nämlich ist der Hauptgrund für den Turbo. Weil es im Innern des Plattenspielers irgendwann zu warm wird (Wärmestau), reagieren die Halbleiter (vor allem die Transistoren) darauf und machen ihren Namen alle Ehre: Sie leiten halb, d.h. es gelangt immer weniger Spanung zum Tachogenerator der dann letztendlich nicht mehr regeln kann und die Umdrehung des Motors in die Höhe treibt.
Steuerungsplatine
Jetzt erst kommt die Steuerungsplatine. Neben den Abstandsröhrchen, die spätestens beim zusammenschrauben zerbröseln werden, sind hier zunächst Spannungsregler und die vier Elkos zu ersetzen, falls das noch nicht geschehen sein sollte. Auch die meist korrodierten Lötnägel auf die der Pfostenstecker und die Sensortasten aufgesteckt sind, sind ein schlimmes Übel. Achtung! Bevor man anfängt zu löten, ist das IC aus der Fassung zu nehmen und (vorsichtshalber) antistatisch zu lagern.
Zum Spannungsregler: Er ist oftmals die Ursache allen Übels – und davon gibt es eine Menge, nicht nur Abwärme. Anders als man gemeinhin glaubt, neigen diese „Dinger“ zu wilden Schwingungen. Zudem sind diese Linearregler alles andere als effektiv. Er hat eine relativ hohe Verlustleistung und produziert natürlich auch entsprechend Wärme. Ein „schwingender“ und damit ein zu warmer Spannungsregler kann „lustige“ Fehler produzieren!
Die Gleichspannungen +12V und +30V sind daher mit Oszilloskop zu prüfen. Da hat wirklich eine Null-Linie zu sein!
Und das war bei meinem Deja vu der Fall. Der neue Spannungsregler schwang wie „Sau“ und war auch nicht ruhig zu bekommen. Der alte Regler war hingegen absolut „ruhig“. Auf keinen Fall einen „stärkeren“ Regler einsetzen! Das ist gut gemeint, aber der Spannungsregler wäre unterfordert und macht dann aus Langeweile Blödsinn.
Sehr viele „Merkwürdigkeiten“ haben ihre Ursache beim Spannungsregler. Man kann u.U. zwanzig Regler testen, um einen zu finden, der sich so verhält, wie man es erwartet. Es empfiehlt sich (nicht nur wegen der geringeren Verlustleistung) ein Low-Drop Regler, etwa der LM2940CT-12. Die DC/DC-Schaltregler wären zwar ideal, haben aber eine zu hohe Restwelligkeit, die man so nicht so einfach wegbekommt. Die Motorsteuerung kommt damit nicht klar.
Den 10nF-Keramikkondensator (C108) zur „Siebung“ der 30V-Spannung sollte man ebenfalls durch einen MKP-Kondensator sofort ersetzen. Die alten Keramikscheiben können es wirklich in sich haben und waren schon damals eine „Krankheit“…
Da sowieso Cinchbuchsen und eine zweipolige Netzbuchse eingebaut werden sollten, ist es ist zudem keine schlechte Idee, die Metallfläche am Wannenboden mit herkömmlicher Alufolie bzw. Metallfolie zu „vergrössern“ – besonders im hinteren Teil.
Zu den Elkos: Es schadet nicht, den 1000µF Ladeelko durch 2200µF zu ersetzen. Nach dem Spannungsregler darf man anstatt 10µF auch ruhig max. 47µF verwenden. Die 30V Hilfsspannung für die Sensortasten wird mit einer „Trickschaltung“ erzeugt. Hierfür ist der 220µF-Kondensator zuständig. Der sollte 1a-Ware sein, genauso wie der 100µF-Elko zur Stabilisierung der „Drehzahl-Elektronik“. Dem 100µF-Elko schaltet man am besten noch 100nF parallel.
Danach ist die Platine zu gründlich reinigen. Mit der Zeit hat sich Dreck eingenistet, der viel Ärger machen kann. Und dann erst geht es auf den Test-Pacours. Das Chassis verbleibt dabei im „Service-Modus“.
Testen & Messen
Als einzigen Abgriff für die Messspannung (natürlich mit gestecktem IC) nimmt man den Anschluss „103« am Pfostenstecker. Alle „Geschwindigkeits-Regler“ (Trimmpotis) stehen dabei in Mittelstellung. Die in den Serviceunterlagen genannten Spannungen (11,9V bei „Stop“, 10,6V bei 33rpm und 10,3V bei 45rpm) sind auch mit einfachen Messgeräten gut reproduzierbar. Durch drehen an den kleinen Trimmpotis muss man diese Werte erreichen.
Bei den heutigen üblichen Digital-Voltmetern sollte die angezeigte Spannung in der 200V-Messstellung einigermaßen stabil sein. „Springt“ die Anzeige bzw. die eine Nachkommastelle zu sehr herum, oder misst man bei „Stop“ keine 11,9V (maximal 12V), dann ist was faul im Staate Dänemark. Heisst: Die komplette Schaltung schwingt bzw. die 12V-Schaltspannung, die das SAS-IC durchreicht, ist verseucht. Heisst im Endeffekt: Zu 99% ist es der Spannungsregler.
Auch ohne Plattenteller kann man so auf Turbo prüfen: Je niedriger die Spannung wird, desto schneller dreht sich der Motor! Bleibt zB. die 10,6V-Spannung über Stunden konstant (darf kurzzeitig auch 10,5V anzeigen), dann scheint das Gröbste überstanden.
Die Beschaltung der Trimmpotis weicht übrigens in der Realität vom Schaltplan ab. Auch die Messspannung an den Kollektoren von T104 und T105 sind „falsch herum“ eingetragen!
Sensor-IC SAS560
Das SAS560-IC ist so empfindlich eigentlich nicht, neigt aber zu undefiniertem Verhalten, selbst bei klinisch reinen Sensorflächen. Das IC stammt aus der Früh-IC Ära. Fertigungstoleranzen können auch im Spiel sein, wenn das IC „spinnt“. Auch die Pins des IC dürften leicht korrodiert sein. Deshalb ist vorsichtiges reinigen angesagt (macht man am besten bevor man anfängt zu löten).
Alles, was mit „Sensorik“ zu tun hat, ist zwangsläufig eine hochohmige Geschichte und damit potentiell „Schwinggefährdet“. Auch der zuvor genannte Dreck ist ein hochohmiger Widerstand und damit auch leitend. Das reicht für eine solche Schaltung.
Wie leicht sich das SAS560 aus dem Tritt bringen lässt, kann man selber leicht ausprobiern: Einfach das Chassis (!) erden und den Motor bei der Beschleunigung zuschauen… Klingt paradox, weil Chassis, Schaltungsmasse und Tonabnehmermasse an einem Punkt zusammengeführt werden und man später durchaus einen geerdeten Röhren-Vorverstärker anschliesen darf – ohne dass das IC herumzickt.
Auch das SAS560-IC neigt zu wilden Schwingungen, ja. Sind aber die Versorgungsspannungen (+12V, +30V) bereits „verseucht“, kann demzufolge weder das IC, noch die Regelschaltung für den Tachogenerator vernünftig arbeiten. Oftmals gaukelt dann das IC einen Defekt vor, der gar nicht da ist.