Telefunken S600

Noch mehr Fehlerquellen

Die Megaohm-Kohleschichtwiderstände R101 bis R103 (je 10MΩ) und R106 bis R108 (je 1MΩ) sind auch so spezielle Kandidaten. Man soll es nicht glauben, aber manchmal liegt ein „undefinierter“ Fehler genau in diesem Bereich.

Im Gegensatz zu Metallschichtwiderstände gehen Kohleschichtwiderstände ja „analog kaputt“. Also langsam – meist werden sie schleichend hochohmig…. Ganz sicher reagieren sie aber auf Wärme! Metallschichtwiderstände (0,5W) sorgen für die nötige Stabilität. Bei der Gelegenheit tauscht man am besten auch noch die 4,7nF Keramikkondensatoren durch entsprechendes MKT bzw. MKS aus. Die Werte sind ebenfalls nicht kritisch. Man kann auch 2,2nF oder 6,8nF einsetzen.

In einem anderen Fall musste ich noch die kleinen Trimmpotis (R119, R131) zur „Voreinstellung“ der Geschwindigkeit austauschen, ebenso wie die Festwiderstände (R127, R133). Ein anderes Mal kamen noch C119, C120, T110 und T111 dazu. Die Transistoren sind übrigens alles NPN- bzw. in einem Fall PNP-Universaltypen und schalten eigentlich nur durch.

Wer die Schaltung ohne IC und Stabilisator, also „diskret“, aufgebaut haben will, sucht nach dem Schaltplan des Plattenspielers Philips GA212. Das ist der Vorläufer für den Telefunken!

Unscheinbarer Diamant?

Wenn man sich mal so auf diversen Verkaufsportalen umschaut, dann könnte man meinen, dass sowohl der S500 als auch der S600 Diamanten sind. Nicht das Gerät an sich, sondern eigentlich eher der Tonarm: Der Ortofon AS 212 Tonarm ist genauso heiss begehrt, wie eine Telefunken-Röhre. Das, was Telefunken da eingesetzt hatte, war aber „nur“ ein „modifizierter“ AS 212. Auch das damalige Standard-Abtastsystem, das Shure V15-Ⅲ, ist ganz „heisse Ware“ und wird mit Gold aufgewogen.

Leider werden auch funktionstüchtige Plattenspieler bei „lebendigem Leibe“ regelrecht ausgeweidet…

Kabel & Nadel

Weil DIN-Stecker bzw. -Kupplungen damals schon höchst unmodern waren, habe ich neben den Spannungsregler auch sofort eine überaus billige 2m Cinch-Strippe angelötet. Ohne es zu wissen, habe ich damit auch genau das Richtige gemacht: Das damals verbaute Abtastsystem Shure V15-Ⅲ verlangte nämlich nach hohen Abschlusskapazitäten. Das Originalkabel mitsamt DIN-Stecker wies eine Kabelkapazität von etwa 200pF auf! Die Billig-Strippe erreichte wohl diesen Wert und es klang auch immer richtig gut. Ja, was denn? Aber wie es so ist…

Einmal musste ein Nadelwechsel durchgeführt werden. Das war damals (in den 1990’er Jahren) schon nicht mehr ganz so einfach. Ein hiesiger HiFi-Händler wechselte dann nicht nur Nadel, sondern ersetzte das komplette Abtastsystem durch ein ENCORE ME75-6 System (was sich als Shure-Nachbau entpuppte). Das Shure V15 habe ich nie wieder gesehen und den typischen Klang des S600 lange Zeit nicht wieder gehört. Das war die erste (und nicht die letzte) Erfahrung mit solchen HiFi-Händlern Umsatzoptimierern. Die Verkaufsbude hat mich nur ein einziges Mal wieder gesehen: Als es nämlich darum ging, die Röhren, die sich noch im Werkstatt-Fundus befanden, gegen einen Obulus von 5 Euro für die Kaffekasse, zu „entsorgen“. Das hat den Encore bzw. den Verlust des V15’er wieder wett gemacht. Wir sind quitt.

Es scheint heute übrigens gang und gäbe zu sein, nicht nur die Nadel auszutauschen, sondern sofort das ganze System. Etwas, was bei MM-Tonabnehmer eigentlich gar nicht nötig ist. Was das V15 betrifft: Manchmal wird eine VN35-„Originalnadel“ zu einem verdächtig niedrigem Preis offeriert. Das sollte skeptisch machen…

Hassliebe?

Irgendwann packte es mich, glaubte an die Allmacht der CD und mottete Schallplatten und den Rillenkratzer ein und vergaß diese „rückständige“ Technik. Nur, um sie Jahre später, schwer geläutert, wieder hervorzukramen. Leider liess sich der Lifthebel nicht mehr bewegen. Nur mit brutaler Gewalt hätte ich den Hebel abbrechen können. Also wurde der Plattenspieler zur Kur geschickt und bekam ihn nach vier Wochen, entharzt und neu gefettet, wieder zurück. Zu dieser Zeit wusste ich schon, dass man vom S600 besser ein Ersatzgerät vorhält und „krallte“ (das ist der richtige Ausdruck) mir ein aufbereiteten S600-Ersatz: Mit Original Shure V15-Ⅲ und mit Original VN35-Nadel.

Mein Ersatz-S600 hatte zudem Cinchbuchsen eingebaut. Daran konnte man „richtiges“ NF-Kabel anschliessen. Das kam mir sehr entgegen, weil ich nicht immer wegen der Billig-Strippe verhauen werden wollte. Und wissen Sie was? Der Klang kam an meinem billig verkabelten S600 nicht heran. Bei weitem nicht. Vor den oberen Mitten und den Höhen schien ein Schleier gelegt worden zu sein. Eine Billig-Strippe linderte zwar etwas, trotzdem wollte es nicht so recht klingen. Auflösung folgt…

Tonabnehmer

HiFi-technisch bin ich ja eher ein „Punk“. Also Platte druff, Nadel druff… Sie wissen schon. Bezüglich Tonabnehmer gibt es deshalb keine Religion. Dafür schaue ich mir die Nadel genauer an. Und die Sache mit dem Auflagegewicht und dem Anti-Skating ist zu einem audiovisuellen Gefühl geworden.

shure-v15

Die damalige „Marotte“, die Nadel quasi in der Rille schweben zu lassen, fröne ich noch heute. Ich habe hier Platten, die sich nach über 30 Jahren noch top anhören. So falsch kann das also nicht gewesen sein. Im Gegensatz zu den neuen 180g-Scheiben, die sich schon nach kurzer Zeit etwas verschlissen anhören und reif für eine Tiefenreinigung sind – selbst in der Einstellung „fräsen“ sind manche neuere Platten ein Grauen.

Ich habe im Prinzip zwei Systeme am Start: Shure (V15-Ⅲ und M44-7 Ne, das M44-7 nicht mehr. Hat zuviel „verschluckt“) und Audio Technica (das grüne AT95E und das gelbe AT91 und neuerdings das organgene AT120). Es mag bessere Tonabnehmer geben, die stehen dann aber nicht mehr im Verhältnis zum Gegenwert des gesamten Rillenkratzers. Bis auf das AT95E sind alle Systeme auf einer S500/S600 Ortofon-Headshell montiert.

Zu dem grünen Audio Technica System kann man stehen wie man will, aber es leistet ganz gute Dienste. Montiert ist es auf einer mittelschweren Headshell. Das System wiegt, lt. Briefwaage, etwa 17 Gramm und damit etwas mehr als das V15 in Ortofon-Headshell.

Wo Shure etwas Eigen ist, ist Audio Technica pflegeleichter was Impedanz und Kapazität betrifft. Und das AT95 passt auch optisch besser zu dem grün illuminiertem Bedienfeld des S600.

Nachteilig bei den Shure-Systemen ist, dass sie „liebevoll“ angepasst werden müssen. Also Impedanz- und Kapazitätsmäßig. Ein V15 mit kapazitätsarmen Kabeln (KOAX) zu „betreiben“ ist nicht ratsam. Das war früher ja anders. Ich benutze Mikrofonkabel.

An den Cinchbuchsen meines Erbstückes messe ich eine Plattenspieler-Kapazität (Eigenkapazität) von etwa 55pF. Dazu kommt die Kabelkapazität von etwa 150pF. Passt für das Shure und seltsamerweise auch für die Audio Technica Systeme (AT95E, AT120).

Zum AT91: Wenn die Katzen aus dem Haus sind, tanzen bekanntlich die Mäuse auf dem Tisch. Das AT91 dient als Lebensversicherung meiner anderen Systeme. Vielleicht kennen Sie ja auch diesen komischen „Uri Geller Effekt“ bei dem sich die Schallplatten-Nadeln „von ganz alleine“ verbogen haben, wenn man wieder nach Hause kommt…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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